Wallrafs Tod und seine Beerdigung

Lisa Jureczko

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Totenzettel Wallrafs

Bild: GenWiki Commons/ gemeinfrei

Ferdinand Franz Wallraf starb am 18. März 1824 im Alter von 75 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalles, der sich schon am 17. November 1823 während einer Reise abgezeichnet und am 30. November 1823 zu einer Lähmung der rechten Körperhälfte geführt hatte. [1] Die Reise hatte Wallraf nach den Feierlichkeiten im Rahmen seines 75. Geburtstages sowie seines Goldenen Priesterjubiläums am 20. Juli 1823 angetreten, an welchem er von der Stadt Köln zum bis heute einzigen Erzbürger der Stadt ernannt wurde. [2] Laut Smets starb Wallraf morgens um Viertel nach eins im Kreise seiner engsten Freunde. [3] Dies bestätigt auch der Totenzettel in deutscher und lateinischer Sprache. [4] In diesem wird Wallraf außerdem für sein Handeln für die Stadt Köln geehrt und die Bevölkerung Kölns aufgerufen, um den Verstorbenen zu trauern:

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„Trauert, Kirche, Wissenschaft, und Kunst! trauert, Bürger Kölns! um das Hinscheiden des Hochwürdigen Hochgelehrten Herrn Ferdinand Franz Wallraf, […]. Ausgerüstet mit einem Reichtum von Kenntnissen, die er, bei vorzüglichen Natur-Anlagen, doch sonst ungünstigen Verhältnissen, nur durch eigenes Streben errungen, stand er da – beispiellos in seinem durch Mühen und Opfer jeder Art bethätigten Eifer für die geistige Schönheit, trachtend einzig in allen Stürmen der Zeit, zu retten und zu sammeln Schätze des Wissens und der Kunst aus der Vorzeit, zu fördern Schönes für Gegenwart und Zukunft. […].“ [5] Weiterhin wird Wallraf als „international“ bekannte Persönlichkeit und „Gegenstand allgemeiner Verehrung[6] beschrieben.

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Leonard Ennen beschreibt Wallrafs Aufbahrung und Bestattung im Jahre 1857 basierend auf Smets Erläuterungen aus dem Jahr 1825. [7] Die ausführlichen Erläuterungen verdeutlichen nicht nur Wallrafs Relevanz für die Stadt Köln, sondern auch die Traditionen und Bräuche der Bestattungskultur Deutschlands im 19. Jahrhundert. Die Aufbahrung des Leichnams, welcher „mit einem schwarzen Talar, der Stola und einem Soli-Deo bekleidet“ [8] war, dauerte insgesamt zwei Tage und fand in einer reich geschmückten Haupthalle statt, die an eine kleinere Vorhalle angeschlossen war. [9]

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Die Vorhalle beschreibt Ennen wie folgt: „Der geräumige Hausflur war […] auf das geschmackvollste zum Trauersaale umgewandelt worden. Die Vorhalle zeigte an der Decke eine beschwingte Sanduhr, welche mit den […] umgekehrten Lebensfackeln den Eintretenden sinnbildlich die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens verkündete. Die Seitenwände waren mit weißen Gewändern behängt, auf welchen, mit den Attributen zeitlicher Hinfälligkeit und den Abzeichen überirdischer Bestimmung abwechselnd, in Trauerfarbe die Namen berühmter Schriftsteller, Künstler und Alterthumsforscher der Vaterstadt nach der Zeitfolge geordnet zu lesen waren […]. Auf diese Weise trafen nun über dem Eingange zur Haupthalle die Namen der Zeitgenossen des Verklärten zusammen und schlossen an Wallraf's Sarge gleichsam den Gelehrtenkreis aus Kölns Vergangenheit.“ [10] Die umgekehrten Fackeln stehen ebenso wie die Sanduhr für das schwindende Leben und basieren auf dem antiken Mythos um den griechischen Todesgott Thanatos. [11] Das Symbol findet sich auch bei einer Vielzahl der Grabmäler des Melatenfriedhofs wieder.

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Metaphorisch aufgeladen war auch der Schmuck der Haupthalle, in der sich Wallrafs Leichnam befand: „Nun gelangte man in die schwarz behängte, schauerlich ergreifende Haupthalle. […] Beim Eingange oder vielmehr auf der Rückwand sah man […] die auf die geistigen und Hauptbestimmungen des Verklärten sich beziehenden Gegenstände: Kelch, Eichenkranz und Palmenkrone, mit den Erklärungsworten: Religion, Bürgertugend, Gelehrsamkeit. Die in sieben Abtheilungen als Verzierung der linken Wand mit symbolischen Laubkränzen abwechselnden Attribute und ihre Inschriften bezeichneten die verschiedenen Fächer seines vielseitigen Wissens und seiner Leistungen. Es waren dies: die Gottesgelehrsamkeit, Weltweisheit, Naturgeschichte, Kräuter- und Alterthumskunde, Dichtkunst und Geschmacklehre. Rechts aber waren die vorzüglichsten Charaktereigenschaften Wallraf's versinnbildlicht: Keuschheit, Nüchternheit, Weisheit, Gerechtigkeit, Beharrlichkeit, Anstand und Sanftmuth.“ [12] Zwei Skizzen aus der Publikation Smets zeigen die Vor- und die Haupthalle. Nach zwei Tagen, an denen die Leiche öffentlich „zur Schau ausgestellt“ [13] wurde, fand die Beisetzung am 22. März 1824 auf dem Melatenfriedhof statt. [14]

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Auch den Ablauf der Beerdigung beschreibt Ennen sehr detailliert: „Des Morgens um neun Uhr versammelten sich auf dem Rathhause die hohen Militär- und Civil-Behörden, die Lehrer und Zöglinge der beiden höheren Schulanstalten, die Freunde und Verehrer des Verstorbenen, die Künstler und Kunstfreunde. In stillem Trauerzuge begaben sie sich nach dem Sterbehause, um von hier, in der Begleitung der Geistlichkeit, der Verwandten und der Bruderschaften, die Leiche zur Domkirche zu begleiten. Nach beendigtem Trauergottesdienste wurden die verweslichen Reste des allverehrten Kölner Erzbürgers, begleitet von einer unabsehbaren, theilnahmvollen Volksmenge, zur letzten Ruhestätte auf den städtischen Friedhof gebracht.“ [15] Kier und Böhm erwähnen zudem, dass während der Prozession eine Person hinter dem Sarge Wallrafs den roten Adlerorden auf einem Kissen in Händen gehalten habe, den er vom preußischen König erhalten hatte. [16]

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Nach den Gebeten auf dem Melatenfriedhof öffnete man den Sarg nochmals. Zwei Freunde Wallrafs vollzogen eine letzte symbolische Abschiedsgeste, indem sie dem Verstorbenen einen Palmenzweig sowie eine Bleiplatte mit Name, Todes- und Geburtsdatum in den Sarg legten. [17] Smets glorifiziert Wallraf an dieser Stelle ein letztes Mal, indem er ihn mit einer der wichtigsten Persönlichkeiten der italienischen Renaissance vergleicht: „Als Leiche hatte er eine auffallende Ähnlichkeit zu Dante.“ [18] Hierbei handelt es sich um eine für das 19. Jahrhundert typische Aufladung der Physiognomie lebender und toter Persönlichkeiten mit diversen Idealen, wie sie sich seit dem 18. Jahrhundert etablierte und auch in der Porträtforschung lange Zeit üblich gewesen ist. Beispielhaft ist in diesem Fall der Umgang mit antiken und neuzeitlichen Bildnissen der sogenannten guten und schlechten römischen Kaiser, aber auch von Privatpersonen. [19]

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Ennen bemerkt des Weiteren: „Nur ein einfacher Stein bedeckt bis jetzt das Grab“ [20], und kritisiert im Folgenden die Stadt Köln, die an einem Grabmal für eine solch wichtige Persönlichkeit wie Wallraf spare. [21] Wie sich die finanziellen Probleme der Stadt auf die Errichtung des späteren Wallraf-Richartz-Grabdenkmals auswirkten, wird an anderer Stelle erläutert.

Anmerkungen

[1] Mahtab Salman-nia: Biographische Skizze, in: Anne Bonnermann et al.: Zwischen antiquarischer Gelehrsamkeit und Aufklärung. Die Bibliothek des Kölner Universitätsrektors Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824), Köln 2006, 25-32, hier: 30; Leonard Ennen: Zeitbilder aus der neueren Geschichte der Stadt Köln, mit besonderer Rücksicht auf Ferdinand Franz Wallraf, Köln 1857, 388. (Digitalisat Ennen: Zeitbilder); Wilhelm Smets: Ferdinand Franz Wallraf. Ein biographisch-panegyrischer Versuch, Köln 1825, 82. (Digitalisat Smets: Wallraf)

[2] Irene Bischoff: Kölner Persönlichkeiten in der Portrait-Sammlung der USB, in: Wolfgang Schmitz (Hg.): Im Mittelpunkt steht das Buch. Einblicke in die Arbeit des Dezernats Historische Sammlungen und Bestandserhaltung anlässlich des Ausscheidens von Dr. Gisela Lange aus dem aktiven Bibliotheksdienst, Köln 2009, 45-55, hier: 51; Smets: Wallraf (wie Anm. 1), 74; Hiltrud Kier: Das Kölner Museum zwischen Trikolore und Preußenadler, in: Hiltrud Kier / Frank Günter Zehnder (Hg.): Lust und Verlust II. Corpus-Band zu Kölner Gemäldesammlungen 1800-1860, Köln 1998, 9–23, hier: 18.

[3] Smets: Wallraf (wie Anm. 1), 83.

[4] Totenzettel Ferdinand Franz Wallrafs. In: HAStK, Best. 1105, A 179/9, Bl. 11.

[5] Totenzettel (wie Anm. 4).

[6] Totenzettel (wie Anm. 4).

[7] Ennen: Zeitbilder (wie Anm. 1); Smets: Wallraf (wie Anm. 1).

[8] Ennen: Zeitbilder (wie Anm. 1), 388.

[9] Ennen: Zeitbilder (wie Anm. 1), 388.

[10] Ennen: Zeitbilder (wie Anm. 1), 388f.

[11] Edward Tripp: Reclams Lexikon der antiken Mythologie, 8. bibl. aktual. Aufl., Stuttgart 2012, 503; Juliane Mohrland: Die Frau zwischen Narr und Tod. Untersuchungen zu einem Motiv der frühneuzeitlichen Bildpublizistik, Berlin 2013, 147.

[12] Ennen: Zeitbilder (wie Anm. 1), 389.

[13] Ennen: Zeitbilder (wie Anm. 1), 390.

[14] Ennen: Zeitbilder (wie Anm. 1), 390.

[15] Ennen: Zeitbilder (wie Anm. 1), 390.

[16] Elga Böhm: Was ist aus Wallrafs Sammlung geworden?, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 36 (1974), 229–272, hier: 241; Kier: Kölner Museum (wie Anm. 2), 19; Bischoff: Kölner Persönlichkeiten (wie Anm. 2), 50.

[17] Smets: Wallraf (wie Anm. 1), 87f.

[18] Smets: Wallraf (wie Anm. 1), 89.

[19] Siehe beispielsweise Johann Caspar Lavater: Von der Physiognomik, Leipzig 1772 (Digitalisat Lavater: Physiognomik) und Johann Caspar Lavater: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe, Zweyter Versuch, Leipzig 1776. (Digitalisat Lavater: Fragmente)

[20] Ennen: Zeitbilder (wie Anm. 1), 390.

[21] Ennen: Zeitbilder (wie Anm. 1), 390f.

Empfohlene Zitierweise
Lisa Jureczko, Wallrafs Tod und seine Beerdigung, aus: Gudrun Gersmann, Stefan Grohé (Hg.), Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824) — Eine Spurensuche in Köln (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00001), in: mapublishing, 2016, Seitentitel: Wallrafs Tod (Datum des letzten Besuchs).