Die Bibliothek Wallrafs

Dominique Nadine Walraevens / Marius von Knobelsdorff

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Die Bibliothek Ferdinand Franz Wallrafs befindet sich heute in der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln. Wallraf selbst hatte 1818 verfügt, dass die Stadt Köln seine Sammlungen erben sollte. [1] Da er hoffte, das Köln nach der französischen Zeit wieder eine Universität erhalten würde, sollte seine Sammlung die Basis einer dazugehörigen Bibliothek bilden. [2] Zuvor hatte lediglich die Artistenfakultät der alten Universität seit den 1420er Jahren eine eigene Bibliothek besessen, die die Funktion einer Universitätsbibliothek erfüllte. Diese wurde aber schon 1577 aufgelöst. Ihr Bestand wurde aufgeteilt und den drei in Köln ansässigen Gymnasien zugewiesen. [3]

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Für Wallrafs Sammelleidenschaft lassen sich verschiedene Gründe anführen: Seine Lehrtätigkeit bildet dabei vermutlich den Ausgangspunkt seiner Sammelaktivitäten. Darüber hinaus sind aber vor allem sein Lokalpatriotismus und seine aufklärerische Einstellung zu nennen, wobei letztere auch in Form seiner Reformbestrebungen zur Verbesserung des Lehrsystems zum Tragen kommt. [4] Insgesamt verfolgte Wallraf beim Aufbau seiner Privatbibliothek drei Ziele, wie Paul Berthold Rupp zusammenfassend formuliert: Erstens wollte er durch seine Sammlung allgemein die Bildung und Aufklärung in seiner Heimatstadt fördern, zweitens wollte er speziell seine Bibliothek als Grundstock für eine spätere Universität in Köln zur Verfügung stellen, für deren (Wieder-)Errichtung er sich stark machte, drittens wollte er insbesondere Drucke aus und über Köln sammeln, um so das Wissen über seine Heimatstadt zu fördern. [5]

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Schon beim Kauf der Bücher musste sich Wallraf genau überlegen, zu welchem Zweck er sie für seine Büchersammlung anschaffte. Da er nur sehr wenig Geld besaß, konnte er sich nur die Werke leisten, die ihm besonders relevant erschienen. Bis zum Jahr 1818 hatte Wallraf immer wieder finanzielle Engpässe zu bewältigen. [6] Ob Wallraf selbst einen Überblick über seine Büchersammlung hatte, ist unklar. Katalogisiert wurden die Bestände erst nachdem er gestorben war. [7]

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Quantitative Aufstellung der Hauptgruppen von Wallrafs Büchersammlung

Bild: Knobelsdorff nach Zahlen von Rupp (siehe Anm. 12)

Diese Arbeit übernahm Stadtarchivar Johann Peter Fuchs in den Jahren zwischen 1824 und 1827. [8] Der Katalog besteht aus vier Bänden, einem Übersichts- und Registerband und drei Bänden eines systematischen Katalogs. Er enthält alle Inkunabeln, Bücher und Buchdubletten aus Wallrafs Sammlung. [9] Vorbild für diesen Katalog war das System Michael Denis‘ (1729-1800) [10], nach dem der Bestand in angepasster Form in acht Hauptgruppen eingeteilt wurde. [11] Diese Hauptgruppen [12] waren Philologia (ca. 3.000 Titel), Historia (ca. 2.500 Titel), Mathesis (ca. 400 Titel), Philosophia (ca. 1.100 Titel), Medicina (ca. 450 Titel), Theologia (ca. 1.700 Titel), Iurisprudentia (ca. 545 Titel) und Varia (ca. 430 Titel). [13] Alle Abteilungen wurden zudem noch einmal in verschiedene Gruppen unterteilt [14], auf die an dieser Stelle jedoch nicht genauer eingegangen werden kann. Da der Schwerpunkt der Büchersammlung eindeutig auf Philologia und Historia sowie Theologia und Philosophia liegt, wird daher nur der Inhalt dieser Gruppen kurz dargestellt.

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Die Abteilungen Philologia und Historia sind mit Abstand die größten Abteilungen innerhalb der Büchersammlung Wallrafs. Darin finden sich unter anderem Bücher zur Literaturgeschichte, „Schriften zur Jugenderziehung und –ausbildung[15], Wörterbücher, Werke aus der Zeit der Romantik und Aufklärung sowie Bücher zur Universal- und Kirchengeschichte. [16] Zur Gruppe der Philosophia gehört neben Werken antiker Autoren auch zeitgenössische Aufklärungsliteratur wie Titel von Immanuel Kant. [17] Die Theologia umfasst „Bibelausgaben, Schriften von Glossatoren […], Schriften und Bibelkommentare der Kirchenväter, theologische Werke […] sowie Lutherdrucke“. [18] Wie zu Beginn erwähnt ist die Bibliothek Wallrafs heute ein Teil der Universitäts- und Stadtbibliothek. Nur die Abteilung Medicina wurde ausgegliedert und „wird heute in der universitären Zentralbibliothek der Medizin aufbewahrt“. [19]

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Alle Büchergruppen spiegeln neben Wallrafs beruflicher Tätigkeit auch seine persönlichen Interessen wider. Er war nicht nur Professor der Theologie, Philosophie, Botanik und Mineralogie, sondern hatte auch Medizin studiert. Zudem hielt er Vorlesungen in Mathematik und Ästhetik. [20] Insgesamt zeigt sich, dass die Büchersammlung die oben genannten Ziele erfüllte: Sie enthielt zu einem erheblichen Anteil Bücher, die Wallraf für seinen Unterricht oder zum Aufbau seiner Sammlungen benötigte. Weiterhin war sie so breit aufgestellt, dass sie als Grundstock einer Universitätsbibliothek dienen konnte. Und drittens enthielt sie vielfältige Schriften über die Stadt Köln, womit Wallraf das Wissen über seine Heimatstadt vermehren konnte.

 

Anmerkungen

[1] Vgl. Gunter Quarg: „Ganz Köln steckt voller Bücherschätze“. Von der Ratsbibliothek zur Universitäts- und Stadtbibliothek 1602-2002, Köln 2002, 24; Mahtab Salman-nia: Biographische Skizze, in: Anne Bonnermann et al.: Zwischen antiquarischer Gelehrsamkeit und Aufklärung. Die Bibliothek des Kölner Universitätsrektors Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824), Köln 2006, 25-32, hier: 29; Paul Berthold Rupp: Die Bibliothek Ferdinand Franz Wallrafs (1748-1824). Entstehung und Fortbestand, in: Jahrbuch des kölnischen Geschichtsvereins 47 (1976), 47-114, hier: 78.

[2] Vgl. Wolfgang Schmitz: Die Bibliothek Wallraf und die Stadt- und Universitätsbibliothek, in: Anne Bonnermann et al.: Zwischen antiquarischer Gelehrsamkeit und Aufklärung. Die Bibliothek des Kölner Universitätsrektors Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824), Köln 2006, 7-11, hier: 7f; Rupp: Bibliothek (wie Anm. 1), 50.

[3] Vgl. Hermann Keussen: Die alte Kölner Universitätsbibliothek, in: Jahrbuch des kölnischen Geschichtsvereins 11 (1929), 138-190, hier: 141. (Digitalisat Keussen: Universitätsbibliothek); Schmitz: Bibliothek Wallraf (wie Anm. 2), 8.

[4] Vgl. Rupp: Bibliothek (wie Anm. 1), 49.

[5] Vgl. Rupp: Bibliothek (wie Anm. 1), 52f. Vgl. dazu auch ebd., 49f.

[6] Vgl. Rupp: Bibliothek (wie Anm. 1), 51.

[7] Vgl. Rupp: Bibliothek (wie Anm. 1), 51.

[8] Vgl. Gabriele Golsch: Zur Systematik der Bibliothek Wallraf, in: Anne Bonnermann et al.: Zwischen antiquarischer Gelehrsamkeit und Aufklärung. Die Bibliothek des Kölner Universitätsrektors Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824), Köln 2006, 49-60, hier: 49.

[9] Rupp: Bibliothek (wie Anm. 1), 88-90.

[10] Vgl. Quarg, Bücherschätze (wie Anm. 1), 24; Michael Denis: Einleitung in die Bücherkunde. 2 Bde, Wien 1777-1778. (Digitalisat Denis: Bücherkunde Band 1)

[11] Rupp: Bibliothek (wie Anm. 1), 88. So wurden etwa, wie Rupp erläutert, die Reihenfolge der Sachgruppen verändert sowie die Gruppe Medicina um einige Unterpunkte ergänzt.

[12] Eigene Darstellung als Diagramm nach: Rupp: Bibliothek (wie Anm. 1), 52.

[13] Zahlen übernommen von Rupp: Bibliothek (wie Anm. 1), 52. So auch bei Quarg, Bücherschätze (wie Anm. 1), 24 und Golsch: Systematik (wie Anm. 8), 50.

[14] Golsch: Systematik (wie Anm. 8), 50.

[15] Golsch: Systematik (wie Anm. 8), 51.

[16] Vgl. Golsch: Systematik (wie Anm. 8), 50-52.

[17] Vgl. Golsch: Systematik (wie Anm. 8), 53.

[18] Golsch: Systematik (wie Anm. 8), 54.

[19] Golsch: Systematik (wie Anm. 8), 54.

[20] Vgl. Salman-nia: Biographische Skizze (wie Anm. 1), 25f.; Golsch: Systematik (wie Anm. 8), 53; Rupp: Bibliothek (wie Anm. 1), 48f.

Empfohlene Zitierweise
Dominique Nadine Walraevens, Marius von Knobelsdorff, Die Bibliothek Wallrafs, aus: Gudrun Gersmann, Stefan Grohé (Hg.), Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824) — Eine Spurensuche in Köln (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00001), in: mapublishing, 2017, Seitentitel: Die Bibliothek Wallrafs (Datum des letzten Besuchs).