Von den Generalstudien zur Universitätsgründung

Laura Valentini

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Das mittelalterliche Köln besaß als größte Stadt des Alten Reiches keine städtische Schule. [1] Die voruniversitäre, höhere Bildung war durch die Schulen der zahlreichen Stifte, Klöster und durch die Domschule geprägt. Durch die Gründung der Generalstudien der Bettelorden im Laufe des 13. Jahrhunderts erhielt die höhere Bildung in Köln eine neue Qualität. [2] Die erfolgreiche Gründung einer Ordenshochschule der Dominikaner, eines sogenannten studium generale, in Paris bedingte 1246/1248 die Einrichtung weiterer Generalstudien in Bologna, Montpellier, Oxford und Köln. Während sowohl Bologna, als auch Montpellier und Oxford bereits über angesehene Universitäten verfügten, war der Erfolg des Kölner Generalstudiums auf die geschickte Leitung durch Albertus Magnus (um 1200-1280) angewiesen, der zuvor drei Jahre in Paris gelehrt hatte. [3]

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Das Kölner Generalstudium der Dominikaner wurde nach Vorbild der Theologischen Fakultät der Pariser Universität eingerichtet. Der Lehrstoff der Generalstudien hatte hohen wissenschaftlichen Rang und entsprach in der Regel dem an bereits existierenden Universitäten verbreiteten Lernstoff. So lag der Fokus der Lehre des Kölner studium generale der Dominikaner, ganz nach Pariser Vorbild, auf Theologie und Philosophie. Die tätigen Lehrer hatten meist an einer Universität (oft Paris) Theologie bis zum Magisterium studiert und doziert, denn um an einer mittelalterlichen Hochschule lehren zu können, musste eine licentia docendi erworben werden. Die Verleihung akademischer Grade, die einen Magister zur Lehre an jeder beliebigen Universität berechtigten, blieb jedoch Vorrecht der Universitäten selbst und konnte nicht von den Generalstudien der Bettelorden geleistet werden. [4] Dennoch waren die Generalstudien in Köln von enormer Bedeutung, haben sie doch „die Spitzen der europäischen Wissenschaft in einer Dichte, Fülle und Vollständigkeit in die Stadt geführt […], wie dies in der Zeit der späteren Universität auch nicht im Entferntesten je und insgesamt der Fall [war].“ [5] Nicht nur die Dominikaner, auch die Minoriten, Karmeliten und Augustiner-Eremiten betrieben in Köln Generalstudien. Neben der Theologie und Philosophie gehörte auch das Studium des kanonischen und, in Grundzügen, des römischen Rechts zu deren Lehrinhalten. [6]

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Ausgehend von den frühen Gründungen in Bologna und Paris entstanden seit dem 12. Jahrhundert in ganz Europa Universitäten als Gemeinschaft Lehrender und Lernender, seit 1221 universitas magistrorum et scholarium genannt. Päpstliche Privilegien spielten in der Konstituierung der Universitäten nach innen und außen eine wichtige Rolle. So bildete, nicht zuletzt wie in Paris, ein päpstliches Privileg den Ursprung der meisten europäischen Universitätsgründungen. [7] Die Kölner Initiative zur Gründung einer Universität profitierte von der damaligen Spaltung des christlichen Abendlandes in zwei Obödienzen, da sie in die Zeit des Großen abendländischen Schismas (1378-1417) fiel. Der römische Papst Urban VI. (1318-1389) sah sich mit dem in Avignon residierenden Gegenpapst Clemens VII. (1342-1394) konfrontiert. Während unter anderem die Pariser Universität Clemens VII. anhing, wollte Urban VI. durch das Erteilen von Universitätsprivilegien verlässliche Anhänger mobilisieren, [8] „die in den geistigen Auseinandersetzungen der Zeit seine Sache verfochten.“ [9]

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Während die Prager Universität 1348 unter Karl IV. (1316-1378), die Universität Wien 1365 unter Rudolf IV. von Österreich (1339-1365) und die Gründung der Heidelberger Universität 1386 unter Kurfürst Ruprecht I. (1309-1390) auf fürstliche Initiativen zurückzuführen waren, wurde die alte Kölner Universität auf Initiative der Bürgerschaft gegründet. Von wem genau diese Initiative ausging, ist nicht überliefert, eine städtisch getragene Universität ist jedoch ohne das Mitwirken des Rates nicht denkbar. [10] Ein mögliches Motiv für das Engagement des Kölner Patriziats war wohl Prestigedenken, denn wissenschaftliche Bildung bedingte gesellschaftliches Ansehen. Aber auch die Aussicht auf wirtschaftliche Prosperität Kölns wird von Belang gewesen sein. Die Bettelorden in Köln waren ebenfalls in die Bemühungen um eine Universitätsgründung involviert. 1378 wurden fünf Ordensvertreter am päpstlichen Hof in Perugia vorstellig, um die päpstlichen Privilegien zu erwirken. [11]

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Mit einer päpstlichen Bulle, datiert auf den 21. Mai 1388, billigte Papst Urban VI. das Ersuchen der Stadt Köln zur Einrichtung einer universitas, also „einer korporativen Gemeinschaft Lehrender und Lernender“ [12]. Die päpstliche Urkunde nennt als ihre Empfänger „Ratsherren, Schöffen, Bürger und Gemeinde der Stadt Köln, unsere und der Römischen Kirche getreue Söhne […]“ [13] und bestimmt die Pariser Universität mit ihren Privilegien als explizites Vorbild der Kölner Gründung:

[…] verordnen wir zum Lobe des göttlichen Namens und zur Verbreitung des rechten Glaubens mit apostolischer Vollmacht, daß in der besagten Stadt Köln künftig ein Generalstudium bestehen soll nach dem Muster des Pariser Studiums und daß es für alle Zukunft dort blühen soll sowohl in der Theologie und im kanonischen Recht als auch in jeder anderen zulässigen Fakultät, daß die Lehrer und Studenten dort alle Privilegien, Freiheiten und Befreiungen genießen sollen, die den in dem besagten Pariser Studium lehrenden Magistern der Theologie und Doktoren wie auch den dort weilenden Studenten zugestanden sind.“ [14]

Die Urkunde wurde am 22. Dezember 1388 in Köln verlesen. Der Rat erklärte feierlich die Annahme der päpstlichen Privilegien und „verpflichtete sich zur entsprechenden Fundierung, Erhaltung und Beschirmung der neuen Universität.“ [15] Der Lehrbetrieb wurde schließlich am Dreikönigstag 1389 aufgenommen und die Universität konnte bereits im ersten Jahr mit „einer für damalige Verhältnisse beeindruckenden Zahl von weit über 700 Immatrikulationen“ aufwarten. [16]

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Siegel der alten Universität

Foto: ©Rheinisches Bildarchiv Köln, 1997, rba_c012641

Die Kölner Stadtpatrone spielten jedoch nicht nur im Zuge der Aufnahme des Lehrbetriebs eine Rolle, sondern sind auch evidenter Teil des Universitätssiegels. Das Hauptsiegel bzw. Große Siegel der alten Universität, ein Zeichen für die gesamte Universitätskörperschaft, repräsentierte die Kölner Stadtgemeinde als Stifter der Universität. Das Siegelbild zeigt die Heiligen Drei Könige unter einem Baldachin, in Anbetung kniend vor der thronenden Maria mit dem Christuskind. Die Könige treten in ihrer Rolle als Stadtpatrone als vermittelnde Fürsprecher zwischen Mensch und Gott auf, als „Interzedenten zwischen dem Stifter und Christus“ und verweisen auf das Verständnis der Universitätsstiftung als pia causa, also „frommes Werk“. [17] Das Integrieren der Stadtpatrone betont so einerseits den städtischen Charakter der Universität und verweist andererseits auf die Vorstellung vom „heiligen Köln“. Dies wird weiterhin durch die Umschrift „s(igillum) : uniuersitatis : studii : s(anc)c(t)e : ciuitatis : coloniensis“ [18] und das Stadtwappen mit den drei Kronen der Heiligen Könige unterhalb der Anbetungsszene bekräftigt. Die Kronen des Stadtwappens spiegeln sich auf der Siegelrückseite in der Tiara des in prachtvollem Ornat gezeigten Petrus wider und betonen so bildlich die Verbindung zwischen dem päpstlichen Rom und Köln. Die städtische Initiative und das päpstliche Privileg bedingen sich in ihrer Relevanz als Faktoren für die Kölner Gründung. Die Stadt präsentiert sich als alleinige Stifterin, doch „[so] wie das Papsttum die Voraussetzung zu dieser Stiftung bildete, so verwiesen die Schutzpatrone auf deren Zweck: die Stadt Köln dem Heiland zu verpflichten.“ [19] Das Siegel, im Durchmesser 8,7 cm, wird erstmals im Zusammenhang mit den Generalstatuten der Universität 1392 erwähnt, ist jedoch nur selten zur Beglaubigung von Schriftstücken verwendet worden. Mit dem Auflösen der Kölner Universität in der französischen Zeit verlor es seine Rechtskraft. Ferdinand Franz Wallraf übergab es 1809 der Verwaltung der französischen Zentralschule, und nach 1849 ging es schließlich in städtischen Besitz über. [20]

Anmerkungen

[1] Götz-Rüdiger Tewes: Das höhere Bildungswesen im alten Köln. Zu den Bursen und Gymnasien der alten Kölner Universität, in: Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds (Hg.): Bildung stiften, Köln 2000, 8-33, hier: 8.

[2] Manfred Groten (Bearb.): Älteste Stadtuniversität Nordwesteuropas. 600 Jahre Kölner Universität. Ausstellung des Historischen Archivs der Stadt Köln. 4. Oktober bis 14. Dezember 1988, Köln 1988, 11.

[3] Jan Adrianus Aertsen: Albertus Magnus und seine Bedeutung, in: Ders. (Hg.): Albert der Große in Köln. Gehalten auf der Feierstunde zur 750sten Wiederkehr der Einrichtung des Kölner Generalstudiums der Dominikaner am 6. November 1998, Köln 1999, 7-13, hier: 8.

[4] Dieter Strauch: Albert der Große in Köln. Das Kölner Generalstudium und die Universität, in: Jan Adrianus Aertsen (Hg.): Albert der Große in Köln. Gehalten auf der Feierstunde zur 750sten Wiederkehr der Einrichtung des Kölner Generalstudiums der Dominikaner am 6. November 1998, Köln 1999, 14-22, hier: 16.

[5] Erich Meuthen: Kölner Universitätsgeschichte, Bd. 1: Die alte Universität, Köln / Wien 1988, 51.

[6] Strauch: Albert der Große (wie Anm. 4), 18.

[7] Groten: Stadtuniversität (wie Anm. 2), 11.

[8] Groten: Stadtuniversität (wie Anm. 2), 11.

[9] Strauch: Albert der Große (wie Anm. 4), 18.

[10] Meuthen: Alte Universität (wie Anm. 5), 58.

[11] Strauch: Albert der Große (wie Anm. 4), 19.

[12] Erich Meuthen: Kleine Kölner Universitätsgeschichte, Köln, 1998, 5. Online unter: http://www.portal.uni-koeln.de/universitaetsgeschichte.html (15.03.2017).

[13] „[…] consules, scabini, cives et commune civitatis Coloniensis, devoti nostri et ecclesie Romane filii […]”, Gründungsbulle Papst Urbans VI., Perugia, 21. Mai 1388, abgedruckt mit Übersetzung in: Groten: Stadtuniversität (wie Anm. 2), Nr. 1, 12-15, hier: 14.

[14] „[…] annuentes ad laudem divini nominis et fidei propagationem orthodoxe auctoritate apostolica statuimus et etiam ordinamus, ut in dicta civitate Coloniensi sit de cetero stadium generale ad instar studii Parisiensis illudque perpetuis futuris temporibus in ea vigeat tam in theologie et iuris canonici quam alia qualibet licita facultate, quodque legentes et studentes ibidem omnibus privilegiis, libertatibus et immunitatibus concessis magistris in theologia ac doctoribus legentibus et studentibus commorantibus in dicto Parisiensi studio generali gaudeant.”, Gründungsbulle Papst Urbans VI., Perugia, 21. Mai 1388, abgedruckt mit Übersetzung in: Groten: Stadtuniversität (wie Anm. 2), Nr. 1, 12-15, hier: 14.

[15] Meuthen: Alte Universität (wie Anm. 5), 57.

[16] Meuthen: Kleine Universitätsgeschichte (wie Anm. 12), 5.

[17] Frank Rexroth: Deutsche Universitätsstiftungen von Prag bis Köln. Die Intention des Stifters und die Wege und Chancen ihrer Verwirklichung im spätmittelalterlichen Territorialstaat, Köln / Weimar / Wien 1992, 249.

[18] Großes Siegel der Kölner Universität, 1392, in: Groten: Stadtuniversität (wie Anm. 2), Nr. 72, 64f.; Meuthen: Kleine Universitätsgeschichte (wie Anm. 12), 9.

[19] Rexroth: Universitätsstiftungen (wie Anm. 17), 250.

[20] Groten: Stadtuniversität (wie Anm. 2), 64f.

Empfohlene Zitierweise
Laura Valentini, Von den Generalstudien zur Universitätsgründung, aus: Gudrun Gersmann, Stefan Grohé (Hg.), Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824) — Eine Spurensuche in Köln (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00001), in: mapublishing, 2016, Seitentitel: Von den Generalstudien zur Universitätsgründung (Datum des letzten Besuchs).