Die Grabmäler aus Wallrafs Zeit

Lisa Jureczko

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Auf dem Melatenfriedhof gibt es auch heute noch eine Vielzahl an Gräbern, die zu Lebzeiten Wallrafs entstanden sind. Im Folgenden soll daher eine Auswahl derjenigen, die aus stadt- und kunsthistorischer Sicht eine Besonderheit ausmachen, vorgestellt werden.

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Ein Grabmal, welches 1812 kurz nach der Eröffnung des Friedhofs angelegt wurde und die Mode der Zeit verdeutlicht, Obelisken als Grabschmuck zu nutzen, befindet sich am nördlichen Ende der alten Hauptachse und zeigt einen auf einem vierstufigen Postament gelegenen Quader, der mit einem kleinen Obelisken bekrönt ist. Das Grab zweier Kinder der Familie de Latte ist heute stark verwittert. [1] Interessant ist vor allem die aufwendige, jedoch nur noch fragmentarisch lesbare Inschrift auf dem Grabstein, gewidmet dem im Alter von zwölf Jahren verstorbenen Louis de Latte sowie seinem zehn Jahre jüngeren Bruder, Adolphe Francois Xavier Napoleon de Latte, die beide 1811 dem Scharlach erlagen:

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„Jener starb für viele Gute beweinenswert, keinem beweinenswerter als dem Vater … Denkmal, gewidmet der elterlichen Zärtlichkeit, den schönen Künsten und den Wissenschaften, denen er sich widmete und zwar mit einem für sein noch kindliches Alter erstaunlichen Erfolg, welcher für die Zukunft zu den schönsten Veranlassungen Hoffnung gab. … Diese beiden lieben Kinder, Opfer von Scharlach, der den Erstgeborenen in weniger als vier Tagen und den Jüngeren in 23 Tagen hinwegraffte, sind heute im gleichen Grab vereint. - Ludwig … dem geliebtesten und liebenswertesten jungen Sohn, der den Eltern gegenüber Ehrfurcht zeigte, in jungen Jahren hoch begabt war und durch Glanz, Bescheidenheit und Begabung und nicht zuletzt durch Schönheit des Körpers und des Geistes ausgezeichnet war und Adolph, dem nicht weniger geliebten Sohn, ihrem besten Kind und dem Bruder an Aussehen und Begabung nicht ungleich, setzten die hochbetrübten Eltern dieses Denkmal des Schmerzes und der Liebe, 1812.“ [2]

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Im Jahre 1815 konzipierte Wallraf das Grabmal für Jakob Heister, welches im Zweiten Weltkrieg zerstört und durch eine moderne Kopie ersetzt wurde. [3] Vogts erwähnt zudem, dass schon 1929 eine Kopie des Originals, welches sich im Dreikönigsgymnasium befand, aus Muschelkalkstein auf dem Melatenfriedhof platziert wurde. [4] Auch dieses Grabmal ist symbolisch aufgeladen: Zu sehen ist ein von Sternen umgebener Zirkel sowie eine Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt. [5] Hierbei handelt es sich um ein Motiv, welches im 19. Jahrhundert gängig war und beispielsweise 1805 von Antonio Canova (1757-1822) für sein Grabmal der Erzherzogin Marie Christine von Österreich (1742-1798) verwendet wurde. [6] Außerdem wird die Form des gleichseitigen Dreiecks aufgegriffen, welches möglicherweise die Dreifaltigkeit symbolisiert. [7] Der Zirkel umschließt derweil einen Kreis, welcher die Symbole für Hoffnung, Treue und Glaube beinhaltet. [8]

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Wiederverwendet wurde im Jahre 1815 das Grabmal der Eheleute Bachem, welches zunächst 1768/1769 auf dem Friedhof St. Mauritius aufgestellt wurde. Nachdem dieser Friedhof geschlossen wurde, nutzte man den Grabstein für das Grab Paul Brachs und verzierte es auf der einstigen Rückseite neu. [9] Während die Rückseite eine einfache Inschrift zeigt, ist auf der neu konzipierten Vorderseite eine Inschrift mitsamt der Darstellung des gekreuzigten Jesus Christus zu sehen.

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1818 entstand das Grabmal des Dompfarrers Michael DuMont (1741/46-1818), der acht Jahre zuvor den Friedhof eingeweiht hatte. [10] Das von Wallraf konzipierte Grabmal zeigt eine Stele in klassizistischem Stil mit einem darauf liegenden Buch, vermutlich ein Lesebuch oder eine Bibel. Weiterhin setzte Wallraf eine aussagekräftige, christliche Symbolik ein, um das Leben und Wirken DuMonts zu verewigen: So steht die Schlange für die Versuchung, der Löwe für die Auferstehung und der Kelch für DuMonts priesterliche Tätigkeit. Auch der Anker und das Kreuz untermalen Wallrafs Intention. Zudem zeugt auch die gewählte Bepflanzung – Efeu als Symbol der Treue und Rosen als Symbol der Liebe – von einer durchdachten Konzeption des Grabmals. [11] Geehrt wird der Verstorbene zudem in Form zweier Inschriften. Die Vorderseite ist wie folgt beschriftet: „Hier waelte sein Grab der erste Einsegner dieses Gottesackers der ehrwürdige H(err) Michael Jos(eph) DuMont, Doc(tor) beyd(er) Rechte. Seit 1806 Hauptpfarrer am Dom in Cöln u(nd) Domherr zu Aachen, (…). Ein Mann für jede Würde seines Standes. Vielseitig in Wissen, streng im Handeln, ein Priester, wie ihn Religion, Humanitaet, und seine Vaterstadt binnen den Stürmen unserer Zeit erforderten. Er erlebte kaum die Morgenröthe des neuen Völkerfriedens hinieden, da nahm ihn Gott zum Genusse der ewigen Ruhe in seine Reiche d(en) 30 Novemb(er) 1818 dem 77(ste)n seines Lebens, im 49(ste)n sein(es) Priesterthums. Allgemeine Trauer feierte seinen Leichenzug. Sein Andenken sei gesegnet.“ [12] Die anderen drei Seiten weisen Inschriften auf, die weiteren dort beigesetzten Familienmitgliedern DuMonts gewidmet wurden.

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Ein anderes Grabmal aus dem Jahre 1818 ist dasjenige Reiner Joseph Anton von Klespés (1744-1818), welcher zu Lebzeiten diverse Ämter der Stadt Köln besetzte. So war er beispielsweise Gewaltrichter, Ratsherr und Unterpräfekt des französischen Arrondissements Köln. Außerdem setzte er sich für die Wiederherstellung einiger seinerzeit zerstörter Teile des Kölner Doms ein. [13]

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Im Jahre 1819 verstarb die junge Maria Catharina Urbach. Während die Grabmäler und Inschriften anderer weiblicher Verstorbenen dieser Zeit eher schlicht gehalten sind, weist Maria Catharina Urbachs Grab eine sehr aufwändige Grabinschrift auf, die vieles über das Leben der Verstorbenen aussagt [14]: „Grab meiner edlen guten Gattin Maria Cath. Urbach, geboren Valkenberg in Worms den 25. Juni 1794, in der Blüte des Lebens mit mir ehelich vereint und dreimal Mutter, verlor ich die mir so threue ach zu frühe im Leben der Liebe den 28. Dec. 1819. Durch Nervenschwäche entkräftet begehrte sie die letzten Sakramente des Heils und beschloss im 7. Jahr unseres Ehesegens im heiligsten Vertrauen auf den Allerbarmer, dem wir leben und sterben. Sanft ruhe hier dein Staub, o mir und unseren Kindern unvergessliche! Dieses Denkmal sey dir mein Danck und mein Zeugnis an die Nachwelt, wie sehr ich dich schätze, sey nun du der Schutzengel meiner Zukunft und meines Geschlechts, Caspar Urbach in Köln.[15] Ähnlich wie bei männlichen Verstorbenen wird auf dem von Johann Joseph Mannebach (1765-1832) konzipierten Grabstein auf die Tugenden der Verstorbenen verwiesen, in diesem Fall also ihre Rolle als gute Ehefrau und Mutter, sowie die Umstände des Todes der 25-Jährigen.

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Auch Wallraf verfasste eine Vielzahl an Grabinschriften. So nennt Ennen neben Pfarrer DuMont beispielsweise folgende verstorbene Kölner Bürger, deren Grabinschriften aus Wallrafs Feder stammen: Johann Joseph von Caspers zu Weiß (1744-1822), Ludwig von Harff zu Dreiborn (1747-1814), Josef Claudius Rougemont (1756-1818), Maria Christoph Breuer und Anton von Behren. [16]

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Viele Grabmäler des 19. Jahrhunderts weisen antikisierende Elemente auf, so auch zwei Grabdenkmäler aus dem Jahre 1818. Das Grabmal Maria Franciska Angela Hubertina von Monschaus, die mit 24 Jahren verstarb, besteht aus einem hochkant aufgestellten Quader mit einem zweistufigen Abschluss. Auf diesem sitzt ein Element, welches in seiner Ausarbeitung und Dekoration an antike Urnen erinnert, die wiederum oftmals Elemente antiker Tempelbauten innehaben. Die vier Seiten der Pseudo-Urne werden flankiert von umgedrehten Fackeln als Thanatos-Symbol sowie Fruchtgirlanden. Die freie Fläche über den Girlanden wird geschmückt durch einen kleinen Stern. Typisch für das 19. Jahrhundert ist auch hier die ausführliche Inschrift, die Informationen über Leben und Tod der Beigesetzten liefert und diese ehrt. [17]

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Das Grabmal Caspar Hamms wiederum greift Elemente antiker Plastik auf. Errichtet wurde es zwischen 1818 und 1820 von Peter Joseph Imhoff (1768-1844), teilweise restauriert wurde es später durch Stephan Kaiser. [18] Auch hier taucht erneut das Symbol der umgedrehten, noch brennenden Fackel auf, auf die sich der junge Todesgenius stützt. Sein rechter Arm umgreift einen obeliskenförmigen Sockel, auf dem ein kugelartiges Element ruht. Ein Mantel bedeckt sowohl das Architekturelement wie auch die Scham des jungen Mannes. Nur noch fragmentarisch erhalten sind die einst imposanten Flügel des Dargestellten, auch das Gesicht ist beschädigt. Die Inschrift ist im Gegensatz zu anderen Grabmälern eher schlicht gehalten. Ähnlich wie beim Grabmal der Familien Pfeifer und Mayer greift Imhoff auch hier auf Skulpturen Bertel Thorvaldsens zurück. [19]

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Wie die obigen Ausführungen zeigen, sind die Gräber des 19. Jahrhunderts besonders symbolträchtig. Weitere Details zu Tendenzen der Grabmalkunst sollen im Rahmen des Artikels über den alten Hauptweg genauer erläutert werden.
 

Anmerkungen

[1] Johannes Ralf Beines (Bearb.): 175 Jahre Kirchhof zu Melaten bey Coeln 1810–1985. Ausstellung des Stadtkonservators Köln, Köln 1985, 3, Abb. 1; Detlef Rick: Melaten. Gräber erzählen Stadtgeschichte, Köln 2006, 37f.

[2] Übersetzung der französischen und lateinischen Inschrift entnommen aus: Josef Abt / Wolfgang Vomm: Der Kölner Friedhof Melaten. Begegnung mit Vergangenem und Vergessenem aus rheinischer Geschichte und Kunst, Köln 1980, 184. Siehe auch: Rick: Melaten (wie Anm. 1), 37f.

[3] Rick: Melaten (wie Anm. 1), 155.

[4] Hans Vogts: Der Kölner Friedhof Melaten, Köln 1937, 13.

[5] Rick: Melaten (wie Anm. 1), 155.

[6] Alexandra Matzner: Antonio Canova. Das Grabmal für Erzherzogin Marie Christine von Sachsen-Teschen (1800-1805), in: Dies.: Texte zu Kunst und Kultur, URL: https://artinwords.de/antonio-canova-das-grabmal-fuer-erzherzogin-marie-christine-von-sachsen-teschen/ (11.05.2022).

[7] Josef Abt / Johannes Ralf Beines / Celia Körber-Leupold:  Melaten. Kölner Gräber und Geschichte, Köln 1997, 155.

[8] Rick: Melaten (wie Anm. 1), 155.

[9] Rick: Melaten (wie Anm. 1), 155f.

[10] Beines: Kirchhof (wie Anm. 1), 4, Abb. 4.

[11] Ilona Priebe: Friedhof Melaten. Vom Leprosenhaus zur Millionenallee, 3. überarb. Aufl., Köln 2009, 12f.

[12] Transkription entnommen aus Rick: Melaten (wie Anm. 1), 38.

[13] Rick: Melaten (wie Anm. 1), 158-160.

[14] Priebe: Friedhof Melaten (wie Anm. 11), 38f.

[15] Priebe: Friedhof Melaten (wie Anm. 11), 39.

[16] Leonard Ennen: Zeitbilder aus der neueren Geschichte der Stadt Köln, mit besonderer Rücksicht auf Ferdinand Franz Wallraf, Köln 1857, 222. (Digitalisat Ennen: Zeitbilder)

[17] Rick: Melaten (wie Anm. 1), 81.

[18] Rick: Melaten (wie Anm. 1), 81f; Günter Leitner: Melaten, in: Günter Leitner: Friedhöfe in Köln. Mitten im Leben, Köln 2003, 76-94, hier: 78.

[19] Leitner: Melaten (wie Anm. 18), 78.

Empfohlene Zitierweise
Lisa Jureczko, Die Grabmäler aus Wallrafs Zeit, aus: Gudrun Gersmann, Stefan Grohé (Hg.), Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824) — Eine Spurensuche in Köln (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00001), in: mapublishing, 2016, Seitentitel: Die Grabmäler aus Wallrafs Zeit (Datum des letzten Besuchs).