Besonders begehrt: Kölner Kunstschätze

Michelle Welsing

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In der französischen Zeit zwischen 1794 und 1814 fiel Köln mehrmals dem Kunstraub zum Opfer. Ein Großteil bedeutender Kunstwerke befand sich in den Händen der Adeligen. Die Anhänger der Revolution verfolgten jedoch den Anspruch, die Kunst für die gesamte Menschheit in Paris zugänglich zu machen. Dazu schickten sie am 6. Oktober 1794, dem Tag des Einmarsches der französischen Truppen in Köln, von ihnen beauftragte Kommissare in die Stadt, um entsprechende Kunstwerke zu beschlagnahmen. Im Zuge dieser Maßnahme konfiszierten sie bereits am dritten Tage der Besetzung eines der bedeutendsten Kölner Kunstwerke aus der Peterskirche: die Kreuzigung Petri von Rubens. Diese Konfiszierung war ein Affront, den die Kölner Bürger nicht klaglos hinnehmen konnten und dem zahlreiche vergebliche Rettungsversuche folgten.

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Das Hauptaugenmerk der Kommissare lag jedoch nicht auf Kunstwerken, sondern eher auf wertvollen Büchern, denn „das Gebiet zeichnete sich im Jahre 1794 […] weniger durch historisch gewachsene Kunstsammlungen als vielmehr durch seine architektonischen und bibliografischen Reichtümer aus.“ [1] Eine beträchtliche Anzahl literarischer Werke wurde im Zuge der Auflösung des Kölner Jesuitenkollegs im November 1794 beschlagnahmt. Die mit Bevollmächtigungen ausgestatteten Kommissare brauchten mehrere Wochen, um mithilfe des Bibliothekskatalogs eine Auswahl an Büchern und allerlei anderen Kunstgegenständen zu treffen. [2] Ferdinand Franz Wallraf verfasste eine Denkschrift über die beschlagnahmten Werke der Franzosen. Unter anderem führte er auf, dass aus dem Jesuitenkolleg zahlreiche wertvolle Manuskripte zur Theologie und Kirchengeschichte, fast die gesamte Sammlung der klassischen Schriftsteller, Inkunabeln und vieles mehr konfisziert worden waren. Insgesamt handelte es sich um einen Verlust im Wert von 100.000 Francs. [3]

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Nach dem Jesuitenkolleg wurde St. Gereon aufgesucht. Dort befand sich eine Granitsäule neben dem Portal, die Karl der Große zusammen mit anderen Säulen aus Rom und Ravenna mitgebracht und bis auf diese eine nach Aachen gebracht hatte. Die Säule wurde aus der Mauer herausgebrochen und abtransportiert. [4] Außerdem wurden aus der Mauer des Kölner Zeughauses drei antike Steine mit römischen Inschriften herausgebrochen. [5]

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Die Aufgabe der Kommissare bestand nicht nur darin, wertvolle Kulturgüter einzusammeln, sie sollten auch Beobachtungen zu den Einheimischen festhalten und deren Technologien, Landwirtschaft und Botanik studieren. Ein besonderes Interesse lag auf dem Bergbau. Sie fertigten Zeichnungen und genaue Beobachtungen an, damit die Bergwerke genauestens studiert werden konnten. [6] Sie schickten Saatgut von einheimischen Früchten und Muster von Geräten und Werkzeugen, wie zum Beispiel „ein Hobel mit drei Klingen und einem beweglichen Kasten […], um das Kraut zu schneiden, aus dem man Sauerkraut macht“ [7], wie die Kommissare berichteten. Diese Geräte sollten in Frankreich nachgebaut werden, um sie zu verkaufen und die französische Wirtschaft anzukurbeln.

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Die meisten Einwohner Kölns waren sicherlich erbost über den Raub ihrer Kulturgüter, wie eine Aussage Wallrafs zeigt: „Wie betrübt uns noch immer jene gewaltsame Wegführung unserer, sogar aus den Mauern und Grabstätten gerissenen römischen und deutschen Altertümer und Inschriften, und unserer selbst von Reisenden vielmal bewunderten Sammlungen alter römischen und deutschen Kriegsrüstungen im städtischen Zeughause“. [8]

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Allerdings gab es auch Kölner Bürger, die von den Franzosen profitierten. Das zeigt das Beispiel des Sammlers und Arztes Baron von Hüpsch (1730-1805). Die Kommissare Barthélemy Faujas (1741-1819) und Charles Dewailly (1730-1798) waren auf ihn aufmerksam geworden, da er die Soldaten medizinisch behandelte und sich im ‚Journal général de Cologne‘ positiv über die Aktionen der Franzosen äußerte. Freiwillig überließ er ihnen wertvolle Manuskripte, was ihm die Sicherung seiner Sammlung, das Mietrecht eines Hauses auf Lebenszeit, Geld für den Transport und die Einrichtung und ein jährliches Gehalt einbrachte. [9]

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Bevor die Kommissare Anfang 1795 nach Paris zurückkehrten, berichteten Leblond und Dewailly: „Falls zufällig Frankreich dieses Land wieder abhanden kommen sollte, so würde dieses neuartige Eroberungsrecht die Sieger unendlich ehren, da es die Bildung zu Teil hätte, die in dem Krieg der Tyrannei immer der Beschädigung und der Vernichtung ausgesetzt sind. Falls im Gegenteil Köln weiterhin bei der Republik bleibt, werden die Bürger dieser Stadt dieselben Rechte auf Bildung haben wie die anderen Franzosen und werden in Paris […] einen Mittelpunkt der Wissenschaft und der Künste finden, der ihnen gemeinsam sein wird. […] Und so gesehen, wird Köln nur einen kleinen Beitrag geleistet haben, um zur größten Wohltat der Republik beizutragen, welche die Bildung darstellt.“ [10]

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Die Rechtfertigung, dass die Städte mit dem Opfer ihrer Kulturgüter einem höheren Gut dienten, nämlich der Bildung der gesamten Menschheit und sie „vor den Kriegen der Tyrannei retten“ [11], wurde immer wieder aufgeführt. Außerdem ginge den Bürgern nach dieser Aussage nichts verloren, da sie die gleichen Rechte auf Bildung hätten wie die anderen Franzosen.

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Ende 1796 hielt Kommissar Keil sich in Köln auf, der einen großen Teil seiner Konfiskationen verkaufte, um die Kriegskassen aufzufüllen. Nach seinem Aufenthalt hatten die Kölner ein paar Jahre Ruhe, bevor Jean-Baptist Maugérard (1735-1815) 1803 in die Rheindepartements geschickt wurde. Es war keine leichte Mission für ihn, da er auf einigen Widerstand stieß. Er suchte unter anderem Wallraf auf, der zu dieser Zeit Professor der Zentralschule war, damit dieser ihm das Gemäldedepot öffnete. Wallraf aber weigerte sich, ebenso wie der Bibliothekar von Schönbeck, die von Maugérard ausgewählten Bücher auszuhändigen. Diese Aktion wurde durch den vereinten Widerstand zu einer äußerst langwierigen Angelegenheit. Zu Beginn des Jahres 1804 erklärte Maugérard letztendlich, dass die Bücher der Zentralschule für Paris nicht länger von Belang seien. So erreichten von Schönbeck und Wallraf, dass nur zehn Bücher beschlagnahmt wurden. [12]

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Maugérard war der letzte Kommissar, der im Auftrag der französischen Nation in Köln war, um Kulturgüter vor dem Klerus und den Aristokraten zu bewahren und um sie der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Viele der beschlagnahmten Werke kehrten nicht wieder nach Köln zurück. Sie wurden hauptsächlich zwischen der Bibliothéque national und dem Louvre aufgeteilt. Bände mit Zeichnungen und Drucken wurden größtenteils auseinandergenommen und nach Künstlern sortiert. Man konnte sie während der Rückführung von 1815 kaum mehr zuordnen, weswegen das meiste in Frankreich zurückgelassen wurde. [13] Konfiszierte Marmor- und Mineraliensammlungen sind weitestgehend aus ihrem ursprünglichen Kontext gelöst und aufgeteilt worden, und erschienen den Franzosen somit wertlos. Dadurch wurde eine Ruckführung nach Köln fast unmöglich. Der Direktor des Museum für Naturgeschichte, André Thouin (1746-1824), vermerkte dazu: „[…] die Marmor- und Mineraliensammlung, die aus […] einem Seminar oder einem Kolleg in Köln stammt […] sind […] in unseren Magazinen. Es sind kleine Proben ohne Wert, die wir zurückgeben können, ohne unserem Etablissement Schaden zuzufügen, wo wir sie nie ausgestellt haben. Was die Mineralien betrifft, diese besitzen wir gar nicht, es waren auch nur kleine Proben, es ist wahrscheinlich, dass sie an irgendeine École central geschickt worden sind.“ [14]

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In den Rheindepartements wurde Köln durch den dreimaligen Beutezug, zusammen mit Aachen, am nachhaltigsten getroffen. Nicht nur unzählige wertvolle Büchersammlungen, sondern auch Rubens‘ ‚Kreuzigung Petri‘, ein Kunstwerk von unschätzbarem Wert, waren somit für die rheinländische Region auf lange Zeit verloren.

 

Anmerkungen

[1] Bénédicte Savoy: Kunstraub. Napoleons Konfiszierungen in Deutschland und die europäischen Folgen, Wien / Köln / Weimar 2010, 39.

[2] Max Braubach: Verschleppung und Rückführung rheinischer Kunst- und Literaturdenkmale 1794 bis 1815/16, in: Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein 176 (1974), 93-153, hier: 98.

[3] Ferdinand Franz Wallraf: Denkschrift über die Verluste, welche die freie Reichsstadt Köln durch die Franzosen erlitten, in: Johann Heinrich Richartz (Hg.): Ausgewählte Schriften von Ferdinand Wallraf. Festgabe zur Einweihungsfeier des Museums Wallraf-Richartz, Köln 1861, 187-223, hier: 199f. (Digitalisat Richartz: Ausgewählte Schriften)

[4] Braubach: Verschleppung (wie Anm. 2), 98.

[5] Savoy: Kunstraub (wie Anm. 1), 48.

[6] Savoy: Kunstraub (wie Anm. 1), 43.

[7] Zitiert nach: Savoy: Kunstraub (wie Anm. 1), 44.

[8] Wallraf: Denkschrift (wie Anm. 3), 190.

[9] Savoy: Kunstraub (wie Anm. 1), 56-58.

[10] Zitiert nach Savoy: Kunstraub (wie Anm. 1), 52f.

[11] Savoy: Kunstraub (wie Anm. 1), 53.

[12] Savoy: Kunstraub (wie Anm. 1), 114.

[13] Savoy: Kunstraub (wie Anm. 1), 316f.

[14] Zitiert nach Savoy: Kunstraub (wie Anm. 1), 318.

Empfohlene Zitierweise
Michelle Welsing, Besonders begehrt: Kölner Kunstschätze, aus: Gudrun Gersmann, Stefan Grohé (Hg.), Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824) — Eine Spurensuche in Köln (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00001), in: mapublishing, 2017, Seitentitel: Besonders begehrt: Kölner Kunstschätze (Datum des letzten Besuchs).