Erwerbstrategien in Bezug auf Wallrafs Buchbesitz
Marius von Knobelsdorff
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Den Beginn der Büchersammlung von Ferdinand Franz Wallraf kann man auf das Jahr 1763 datieren. In diesem Jahr erhielt „der 15-jährige Gymnasiast als Belohnung für seine schulischen Leistungen“ einen Apokryphen-Kommentar aus dem Jahr 1634.
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Insgesamt kann, einer ausführlichen Aufschlüsselung Paul Berthold Rupps von 1976 folgend, für ungefähr 41 % von den 14.834 Handschriften, Inkunabeln und Büchern, die Wallraf besaß, und damit 6.209 Einheiten, der Kauf durch Rechnungen nachgewiesen werden. Von diesen kann der Großteil (5.425 Einheiten) auf das Jahr genau belegt werden. Den Rechnungen zufolge erwarb Wallraf die Schriften von Antiquaren (5.655 Einheiten) und Buchhändlern (554 Einheiten).
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Von den 59 % der Bucheinheiten, deren Erwerb nicht nachgewiesen werden kann, wird der Hauptteil wohl bei antiquarischen Auktionen erworben worden sein. So sind neben den Katalogen von Auktionen, bei denen Wallraf tatsächlich Bücher erstanden hat, noch Kataloge von weiteren 75 kölnischen Auktionen in Wallrafs Besitz gewesen. Es ist also wahrscheinlich, dass er auch dort Bücher erwarb.
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Es sollte noch einmal darauf hingewiesen werden, dass es bei den hier wiedergegebenen Zahlen
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Die Zahl der Erwerbungen, die Wallraf pro Jahr vornimmt, kann gut durch seine persönliche finanzielle Situation und die allgemeine politische Lage erklärt werden. Ab 1769 war Wallraf als Professor am Gymnasium Montanum tätig. Von 1771 bis 1775 kaufte er, wie der Aufstellung Rupps zu entnehmen ist, erstmals 45 Bücher, wenn auch in unregelmäßigen Abständen. Später kam es wegen seines unerwünschten Reformeifers zu (finanziellen) Streitigkeiten zwischen ihm und dem Gymnasium, was dazu führte, dass er zehn Jahre lang auf sein Gehalt verzichten musste.
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Mit dem Lehrstuhl für Botanik, den Wallraf ab 1784 an der Kölner Universität innehatte, war gleichzeitig eine Pfründe an St. Maria im Kapitol verbunden. Zwei Jahre später übernahm er zudem die Professuren für Naturgeschichte und Ästhetik.
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Seit dem Jahr 1798 erwarb Wallraf wieder in größerem Umfang Bücher.
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Mit der Verschlechterung von Wallrafs finanzieller Lage – nach einer Reform des Schulwesens erhielt er nur noch zwischen 1.000 und 1.400 Francs
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Wallrafs Bücherkäufe – um hier ein erstes Ergebnis festzuhalten – geschahen also in deutlichen Schüben mit wechselndem Engagement. Dabei lässt sich erkennen, dass Wallraf immer dann viele Bücher gekauft hat, wenn seine finanziellen Mittel einerseits und die allgemeine politische Lage andererseits dies zuließen. Über diesen grundsätzlichen Befund hinausgehend ist es aufschlussreich, Wallrafs Bezugsquellen genauer zu betrachten.
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Wallraf kaufte seine Bücher nicht nur in Köln, sondern auch bei auswärtigen Buchhandlungen. Hierfür nutzte er einerseits Kataloge, die zur Frankfurter und Leipziger Messe erschienen, andererseits aber auch Anzeigen aus Zeitschriften wie der Literarischen Zeitung.
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Bei Antiquariaten kaufte Wallraf wie oben beschrieben den Großteil seiner Bücher, nämlich ungefähr 90 Prozent. Dies geschah oft bei Auktionen, was sich auch an der Anzahl der von Wallraf erworbenen Auktionskataloge erkennen lässt. Die Gebote auf die verzeichneten Bücher wurden häufig schriftlich vorgenommen. Bei Auktionen von Kölner Antiquariaten beteiligte Wallraf sich direkt, bei auswärtigen Auktionen lief das Geschäft über einen Kölner Antiquar ab. Insgesamt kann nachgewiesen werden, dass Wallraf bei 71 kölnischen und 18 auswärtigen Auktionen Bücher gekauft hat
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Zusammenfassend ist zu sagen, dass Wallraf sowohl bei kölnischen als auch bei auswärtigen Buchhandlungen und Antiquariaten gekauft und sich außerdem häufig an Auktionen beteiligt hat. Hierbei hat er offenbar darauf geachtet, die Bücher günstig zu erwerben oder sich gesonderte Angebote zu verschaffen. Als regelmäßiger Käufer gelang es ihm häufig, gute Bedingungen auszuhandeln und von längeren Fristen und Rabatten zu profitieren. Teilweise erreichte er dies, indem er selbst für die Buchhandlungen tätig wurde. Dennoch kam er regelmäßig in finanzielle Schwierigkeiten, aus denen Mahnungen resultierten. Auf einer qualitativen Ebene nimmt Gunter Quarg eine Bewertung der Büchersammlung Wallrafs vor, indem er bemerkt, man müsse „anerkennend feststellen, daß sie, wie auch andere seiner Sammlungen, mit großer Sachkenntnis und einem Gespür für Seltenheiten erworben wurden, wenn auch der Erhaltungszustand manchmal die geringen finanziellen Möglichkeiten ihres Besitzers erahnen lässt.“
Anmerkungen
Empfohlene Zitierweise
Marius von Knobelsdorff, Erwerbsstrategien in Bezug auf Wallrafs Buchbesitz, aus: Gudrun Gersmann, Stefan Grohé (Hg.), Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824) — Eine Spurensuche in Köln (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00001), in: mapublishing, 2017, Seitentitel: Wallrafs Erwerbsstrategien (Datum des letzten Besuchs).