Forschen und Öffentlichkeit vor 1800

Kim Opgenoorth

Weniger bekannt sind Wallrafs eigene Forschungstätigkeiten: Im Rahmen seiner Lizentiaten-Dissertation des Jahres 1780 beschäftigte er sich auf Anraten seines Mentors Johann Georg Menn beispielsweise mit der Beschaffenheit des Feuers, – einem in der Zeit der Aufklärung neuen und europaweit populären Thema. Die Arbeit trug den Titel „Über das Feuer und seine Zusammensetzung[1]. Auch nach der Verteidigung seiner Thesen blieb er am Thema interessiert und erwarb u. a. die 1793 in Göttingen gedruckte „Kurze Darstellung der vorzüglichsten Theorien des Feuers, dessen Wirkungen und verschiedene Verbindungen“ des Hüttentechnikers, Chemikers und Agronomen Wilhem August Lampadius [2] für seine Bibliothek.

In seiner Dissertation stellt Wallraf unter anderem die These auf, dass Steinkohle pflanzlichen Ursprungs sei. Mit handschriftlichen Notizen in seinem eigenen Exemplar präzisierte er diese Aussage, indem er die in unterschiedlicher Tiefe im Erdreich liegenden Kohlestücke genau beschrieb. [3] Einiges spricht dafür, dass er seine Erkenntnisse nicht nur aus eigenen Forschungen, sondern auch aus der Auseinandersetzung mit den Befunden anderer Wissenschaftler gewonnen hat: So hatte etwa der Kölner Sammler und Universalgelehrte Jean Guillaume Honvlez, der sich selbst Baron von Hüpsch nannte, die These vom pflanzlichen Ursprungs der Braunkohle zuvor schon publiziert. [4] Bestätigt – und damit erst wissenschaftlich anerkannt – wurde diese These dann im Jahre 1804 von dem französischen Geologen Barthélemy Faujas de Saint-Fond (1741–1819), der die beiden Gelehrten Hüpsch und Wallraf auch in der Annahme bekräftigte, dass Basaltsteine einen vulkanischen Ursprung hätten. Wallraf hatte eine sehr große Zahl von Lavasteinen aus der Eifel zusammengetragen, die in seinem späteren Inventar eine eigene Rubrik erhielten. Über seine ebenso umfassende Sammlung von Basaltsteinen äußerte sich ein Fachexperte bei einem Besuch der Universität Köln im Jahre 1790 sehr begeistert:

Seine Mineralien- und besonders Basaltsammlung ist herrlich: z.B. Chalzedon, Zeolithen, Granaten, Pyriten, geschmolzene Eisenschlacken etc., alles in Basalt. Also Beweise für die Entstehung des Basalt durch Vulkan." [5]

Wallrafs Sammelmotivation lässt sich anhand der erwähnten Beispiele klar umreißen: Sein Ziel war die Wissensvermittlung. Er war bei allen Aktivitäten ein Lehrer mit außergewöhnlichem Sendungsbewusstsein. Dies ist auch bei seinen Auftragsarbeiten für die Stadt zu sehen, ob es um die Umbenennung der Straßen, die Beratung bei der Neuprägung von Münzen oder bei der Gestaltung von Inschriften ging: Stets versuchte er, das Bildungsniveau der Kölner Bevölkerung zu heben.

Als Gymnasial- und Universitätslehrer war er für viele Unterrichtsfächer zuständig. Am Gymnasium Montanum unterrichtete er zwischen 1769 und 1786 Latein, Rhetorik [6] und Mathematik. Seit 1784 lehrte er Botanik als Professor der Universität, ab 1786 dann auch Naturgeschichte und Ästhetik, für deren Einführung er sich im Zuge von Reformbemühungen stark gemacht hatte. [7] Nach der Schließung der Universität wurde er an der von den Franzosen eingerichteten École Centrale zunächst als Professor für Geschichte und kurze Zeit später für die Belles Lettres, die Schönen Wissenschaften eingestellt.

Verschieden Quellen belegen, dass sich Wallraf tatsächlich mit Leib und Seele der Lehre verschrieben hat und seinen Schülern auch eng verbunden war: Eine Analyse seines Netzwerkes zeigt, dass er zu den „Ehemaligen“ einen guten Kontakt aufrechterhielt und diesen auch dann beratend zur Seite stand, wenn sie Köln verlassen hatten. [8] Die Vorlesungen zur Botanik führte Wallraf nach der Schließung der Universität in seiner Wohnung sogar noch lange privat weiter durch und wie aus einem auf das Jahr 1821 datierten Brief der Schulverwaltung hervorgeht, hatte er wohl als 73-Jähriger Greis den Schlüssel des naturhistorischen Kabinetts immer noch nicht abgegeben. [9]

Sehr deutlich dokumentieren die Quellen immer wieder, dass Wallraf seine Sammlung zeitlebens als eine öffentliche betrachtet hat, die keineswegs nur Auserwählten offenstehen sollte. Mit seiner Bewerbung um das Baccalaureat der Medizin im Jahr 1778 bot Wallraf der Universität seine Naturaliensammlung ausdrücklich zur allgemeinen Verwendung in der Lehre an:

„Sicherlich nicht ohne Wohlwollen werdet Ihr ertragen, berühmteste Männer, wenn ich meinen wie auch immer geringen Fleiß, den ich gerne für eine gewisse Zeit diesem Gegenstand widmen wollte, und diese Naturaliensammlung für den Zweck und den Gebrauch der Anwendung anbieten werde, und wenn ich mich über diese Sache hinaus endlich bei der Fakultät als Professor bewerben würde, insofern diese [Sammlung] auch der medizinischen [Fakultät] angefügt werden soll, was die Hauptsache ist.“ [10]

Jahre später erneuerte er dieses Angebot in einem Schreiben an die französische Verwaltung, in dem er für eine (Wieder-)Errichtung einer Universität in Köln plädierte. [11] Auch seine verschiedenen Testamentsversionen belegen, dass er bis zuletzt daran gearbeitet hat, seine Sammlung in den Dienst der Bildung und Aufklärung stellen zu können. [12] Im zweiten Testament verwies er explizit auf das „große Museum der Mineralien“, das den „Candidaten« mehrmals im Jahr geöffnet worden sei, und dass in der Hoffnung auf die Errichtung einer Universität »„zum Wissen, zur Ehre und zum Stolz“ der Stadt erhalten bleiben solle [13]. Im dritten Testament findet sich die Formulierung, dass seine „[…] Kunst-Mineralien-Mahlerei-Kupferstich- und Bücher-Sammlung zu ewigen Tagen bey dieser Stadt und Gemeinde zum Nutzen der Kunst und Wissenschaft verbleiben, […]“ solle. [14] Gegen alle Rückschläge und Widerstände unternahm er viele Anstrengungen – bis hin zu einer Reise nach Paris –, um seine Sammlung in den Dienst der Bildung zu stellen. [15] Bis zum Jahre 1807 scheint er dabei schulische oder universitäre Orte im Blick gehabt zu haben, laut Joachim Deeters und den schriftlichen Zeugnissen hat er erst danach den Plan geäußert, die Sammlung auch der Stadt Köln vermachen zu können. [16]

Anmerkungen

[1] „Dissertatio inauguralis physico-chemica de igne et ejus conbinatione pro licentia… in medicina. Coloniae Ubiorum: Typ. Universitatis 1780“, Gunter Quarg, Ferdinanus Franc Wallraf Facultatis Medicae Doctor, Ausstellungskatalog, Köln 1998, 6.

[2] Quarg, Ausstellung, 9.

[3] Gunter Quarg, Naturkunde und Naturwissenschaften an der alten Kölner Universität, Köln 1996, 185.

[4] Quarg, Naturkunde, 185.

[5] Quarg, Naturkunde, 186.

[6] Gunter Quarg, "Ganz Köln steckt voller Bücherschätze": von der Ratsbibliothek zur Universitäts- und Stadtbibliothek, 1602-2002 Köln 2002, 24.

[7] Dorothea Fellmann, Das Gymnasium Montanum in Köln : 1550 - 1798. Zur Geschichte der Artes-Fakultät der alten Kölner Universität, (Studien zur Geschichte der Universität zu Köln, 15), Köln 1999, 146.

[8] Siehe Masterarbeit von Alexandra Nebelung, Ferdinand Franz Wallraf und sein Kreis, Köln 2018, URN: urn:nbn:de:hbz:38-80948, URL: http://www.blog-zeitenblicke.uni-koeln.de/wallraf-digital/publikation/ (13.05.2019).

[9] Joachim Deeters, Der Nachlass Ferdinand Franz Wallraf (Best. 1105), Köln 1987, 305.

[10] Schriftliche Bewerbung vom 1. Juni 1778, Joachim Deeters, Ferdinand Franz Wallraf: Ausstellung des Historischen Archivs der Stadt Köln vom 5. Dezember 1974 bis 31. Januar 1975, Köln 1974, 15, Transkription: Elisabeth Schläwe, Übersetzung: Sebastian Schlinkheider, Henrike Stein.

[11] Hansgeorg Molitor, Ferdinand Franz Wallraf und die Kölner Universität. Ein lateinischer Brief aus dem Jahre 1810, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 176 (1974), 83-92, hier: 86.

[12] Elisabeth Schläwe / Sebastian Schlinkheider, Dreimal letzter Wille – Wallrafs Testamente im Resümee, aus: Dies., Letzter Wille mit großer Wirkung – Die Testamente Ferdinand Franz Wallrafs (1748–1824) (DOI: http://dx.doi.org/10.18716/map/00003), in: mapublishing-lab, 2018,
URL: http://wallrafswille.mapublishing-lab.uni-koeln.de/beitraege/fazit-dreimal-letzter-wille/ (13.05.2019).

[13] Schläwe / Schlinkheider, Wallrafs zweites Testament vom 25./26. Mai 1816, aus: Dies., Letzter Wille, URL: http://wallrafswille.mapublishing-lab.uni-koeln.de/start/zweites-testament/ (13.05.2019).

[14] Schläwe / Schlinkheider, Wallrafs drittes und letztgültiges Testament vom 9. Mai 1818, aus: Dies., Letzter Wille, URL: http://wallrafswille.mapublishing-lab.uni-koeln.de/start/drittes-testament/ (13.05.2019).

[15] Gudrun Gersmann, Paris 1812: Wallraf unterwegs. Ein Sammler, eine Reise und der Versuch, das kulturelle Erbe der Stadt Köln zu sichern, in: Thomas Ketelsen (Hg.), Wallrafs Erbe. Ein Bürger rettet Köln. Ausstellungskatalog, Köln 2018, 84–99, hier: 91.

[16] Deeters, Ausstellung, 73.

Empfohlene Zitierweise
Kim Opgenoorth, Forschen und Öffentlichkeit vor 1800, aus: Gudrun Gersmann, Stefan Grohé (Hg.), Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824) — Eine Spurensuche in Köln (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00001), in: mapublishing, 2019, Seitentitel: Forschen und Öffentlichkeit (Datum des letzten Besuchs).