Das Ende der alten Universität

Laura Valentini

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Die alte Kölner Universität bestand im 18. Jahrhundert weiterhin aus den drei höheren Fakultäten der Theologie, Jurisprudenz und Medizin, die schon zur Universitätsgründung im Jahre 1388 eingerichtet worden waren. Die Artistenfakultät, an der die Grundlagen für ein höheres Studium erlangt wurden, verlagerte ihre Lehre im Laufe der Zeit in die drei großen Kölner Gymnasien. Das Montanum, Laurentianum und Tricoronatum waren im Laufe des 15. Jahrhunderts aus den Zusammenschlüssen mehrerer Bursen entstanden und bestimmten fortan die Grundausbildung der Studierenden. Das Tricoronatum, ab 1582 offiziell unter der Leitung des Jesuitenordens, trat dabei besonders durch die Förderung der Naturwissenschaften und die Innovationen neuer, vom stringenten mittelalterlichen Bildungskanon abweichender, Studiengänge hervor. [1]

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Die alte Universität galt als reaktionär [2] und verblieb, organisatorisch auf das Pfründensystem zur finanziellen Unterhaltung der Hochschule fokussiert, überwiegend in mittelalterlichen Strukturen verhaftet. Auch ihre konkurrenzlose Stellung im rheinischen Gebiet erweckte zunächst nicht das Bedürfnis einer Fortentwicklung. [3] Die aufklärerischen Einflüsse des 18. Jahrhunderts erforderten jedoch zwangsläufig eine strukturelle Umgestaltung der Universität, um anschluss- und konkurrenzfähig zu bleiben, da sich an anderen Hochschulen Europas bereits Entwicklungen abzeichneten, durch die neue Standards generiert wurden. Unter anderem die Konkurrenz zu der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als kurkölnische Akademie gegründeten und später zur Universität erhobenen Hochschule in Bonn zog für die Kölner Universität die Einsicht notwendiger struktureller Reformen nach sich. [4] „Köln reagierte hinfort in zwiespältiger Weise: Inhaltlich betonte man, soweit die katholische Lehre zur Rede stand, nun erst recht die orthodoxe Tradition; wissenschaftsorganisatorisch schwenkte man jedoch in breiter Front auf die modernen Bedürfnisse ein und setzte die Fächerdifferenzierung und -erweiterung fort, die schon in der Jahrhundertmitte vor allem von den Jesuiten vorangetrieben worden war.“ [5]

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Die Bonner Gründung profitierte von der Aufhebung des Jesuitenordens, die 1773 von Papst Clemens XIV. (1705-1774) durchgesetzt wurde. Das dortige Jesuitengymnasium diente ab 1774 als Grundlage einer eigenen Akademie, die der als reaktionär empfundenen Kölner Universität mit aufklärerischem Geist entgegentreten sollte. Bereits vor der formellen Gründung am 30. Mai 1777 wurde ein Artesstudium mit fünf unteren und zwei höheren Klassen eingerichtet. Zudem erhielt die Akademie jeweils drei theologische (Dogmatik, Moraltheologie, Kirchenrecht) und juristische Lehrstühle (Staats- und Völkerrecht, Pandekten, Institutionen). Im Jahre 1776 folgte eine medizinische Professur, sodass auch in Bonn alle drei höheren Studien vertreten waren. Kaiser Joseph II. (1741-1790) billigte 1784 das Universitätsprivileg für Bonn, und die Universität wurde schließlich im November 1786 eröffnet. [6] Durch den Status der Bonner Institution als einer „modernen“ Universität im Sinne des aufklärerischen Gedankenguts sahen sich der Kölner Rat und der Lehrkörper der Universität zwangsläufig zu notwendigen Reformen angehalten, die jedoch zunächst zu „freilich nur halbherzig angegangenen Reformversuchen [führten].“ [7]

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Ferdinand Franz Wallraf, ab 1769 Professor am Montanergymnasium, seit 1788 Doktor der Medizin und ab 1784 Professor für Botanik, war ein Anhänger der Aufklärung und wirkte maßgeblich in den letzten Jahrzehnten bis zur Auflösung der Universität an den Reformen mit. [8] Nach einem Aufenthalt in Süddeutschland legte er 1786 ein umfassendes Gutachten zur „Reform der Kölner Studien, besonders der Facultas Artium und der gymnasialen Erziehung“ vor. [9] Wallraf plädierte für eine Verbesserung der Studiengänge, unter anderem durch regelmäßige öffentliche Prüfungen und eine Anhebung des akademischen Niveaus in den verschulten Gymnasien der Universität. [10] Die Gymnasien sollten von der Universität gänzlich getrennt und deren Lehrkörperschaft wie auch der Unterricht in sieben eigenen Institutionen organisiert werden. [11] Auch setzte er sich für eine Verbesserung der Ausbildungs- und Lehrbedingungen der Universitätsprofessoren ein, die unter anderem mit einer ausreichenden und festen Besoldung der Lehrstuhlinhaber einhergehen sollte. Die finanziellen Lasten der Universität wurden aus einem im Laufe der Zeit gewachsenen System von Pfründen und Stiftungen bestritten, die den Unterhalt der Professoren gewährleisten mussten. Darauf waren insbesondere die Lehrenden der Theologischen und der Artistenfakultät angewiesen. Sie konnten sich nicht wie Juristen und Mediziner durch zusätzliche Einnahmen aus städtischen oder privaten Honoraren absichern. [12] So wurde beispielsweise auch Wallraf im Laufe seiner universitären Karriere immer wieder von finanziellen Problemen geplagt. Seine klerikale Laufbahn ist nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass sie ihm über ein Studium der Theologie hinaus auch einen Abschluss in Medizin und schließlich eine Professur der Botanik ermöglichte. [13] Seine Reformvorschläge stießen jedoch auf großen Widerstand und kamen, nicht zuletzt auch aus Kostengründen, größtenteils nicht zur Umsetzung. [14] Die Auslagerung der Gymnasien in sieben Einzelinstitutionen und deren Trennung von der Universität scheiterte unter anderem am Widerstand der drei existenten Schulen. [15] Dennoch kam es Ende des Jahres 1786 zu einer Modernisierung des Vorlesungsangebots: Zukünftig wurden öffentliche Vorlesungen in Elementar- und angewandter Mathematik, Ästhetik, allgemeiner Geschichte und Geographie, sowie Geschichte der Philosophie und praktischer Philosophie gehalten. [16]

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Die französische Zeit brachte durch das Ende der alten Kölner Universität, die von ihrer Gründung 1388 bis zu ihrer Auflösung 1798 über 400 Jahre existiert hatte, den aufkeimenden Umbruch zum Erliegen. [17] Der Jurist François Joseph Rudler (1757-1837) wurde als Regierungskommissar entsandt, um die Einführung der französischen Gesetze und Verwaltungseinrichtungen in den hinzugewonnenen Gebieten zu gewährleisten. [18] Wurde der Vorlesungsbetrieb der Universität nach der Besatzung noch in reduzierter Form fortgeführt, folgte auf die Eidverweigerung fast aller Universitätsprofessoren 1797 im Jahr darauf die Aufhebung der alten Universität. [19] Durch die Verweigerung des Treueides verloren die betroffenen Professoren ihre Ämter und der Lehrbetrieb musste daraufhin, von einigen Vorlesungen der Medizinischen Fakultät abgesehen, in dreien der vier universitären Fakultäten weitestgehend eingestellt werden. [20] Ferdinand Franz Wallraf, der am 17. Dezember 1793 zum Rektor der alten Universität gewählt worden war und wie viele seiner Kollegen den Eid auf die Republik verweigert hatte, musste seine Position am 27. Dezember 1797 aufgeben. [21] Der nachfolgende Rektor Paul Best (1753-1806) wurde von Kommissar Johann Rethel (1769-1839) ernannt und nicht, wie Wallraf zuvor, von Vertretern der Fakultäten gewählt. Er passte sich mit seinen übrigen, auf ihren Lehrstühlen verbliebenen Kollegen dem neuen Kurs der französischen Besatzungsmacht an. Die endgültige Aufhebung der Universität konnte jedoch dennoch nicht verhindert werden. [22]

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Die alte Kölner Universität fiel, wie die Universitäten in Mainz, Bonn und Trier, der Angleichung an das französische Bildungssystem zum Opfer, die mit dem sogenannten „Florealdekret“ des 28. April 1798 (9. Floréal VI) amtlich beschlossen wurde. [23] So heißt es in dem „Beschluss wegen der Schulen und des öffentlichen Unterrichtes" Rethels: „Art. 1ͤ ͬ. L' enseignement public dans l'université de Cologne, dans celle de Mayence, dans celle de Bonn et dans celle de Trèves, se divisera, et il sera fait, dans des écoles primaires, une école centrale et des écoles spéciales.“ [24]

Die französische Umorganisation der Lehre sah keine Universität mehr vor. Stattdessen wurden, wie bereits in Frankreich nach der Schließung der alten Universitäten 1793, eine Zentralschule und mehrere „Spezialschulen“ für das kürzlich eingerichtete Roer-Département gegründet. Die französische Zentralschule beanspruchte jedoch in der Folgezeit die Bezeichnung L'Université de Cologne organisée en école centrale. So bestand die Universität zumindest namentlich fort, auch wenn sie faktisch nicht mehr existent war. [25]

Anmerkungen

[1] Klaus Pabst: Das Ende der freien Reichsstadt Köln. Gesellschaftliche und bildungspolitische Umbrüche in der Franzosenzeit, in: Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds (Hg.): Bildung stiften, Köln 2000, 40-57, hier: 42.

[2] Erich Meuthen: Kölner Universitätsgeschichte, Bd. 1: Die alte Universität, Köln / Wien 1988, 345.

[3] Karl-Heinrich Hansmeyer (Hg.): 600 Jahre Kölner Universität 1388-1988. Von der mittelalterlichen Alma Mater zum zukunftsorientierten Zentrum der Wissenschaft. Historischer Überblick und aktuelle Bestandsaufnahme aus Anlaß der 600. Wiederkehr des Gründungsdatums, Köln 1988, 11.

[4] Manfred Groten (Bearb.): Älteste Stadtuniversität Nordwesteuropas. 600 Jahre Kölner Universität. Ausstellung des Historischen Archivs der Stadt Köln. 4. Oktober bis 14. Dezember 1988, Köln 1988, 52; ebd. bietet auch einen Überblick über die Veränderungen der einzelnen höheren Fakultäten; vgl. auch Meuthen: Alte Universität (wie Anm. 2), 450.

[5] Meuthen: Alte Universität (wie Anm. 2), 447.

[6] Groten: Stadtuniversität (wie Anm. 4.), 52.

[7] Pabst: Reichsstadt (wie Anm. 1), 43.

[8] Groten: Stadtuniversität (wie Anm. 4), 58.

[9] Maya Stremke: Ferdinand Franz Wallraf und die Kölner Universität, in: Anne Bonnermann et al.: Zwischen antiquarischer Gelehrsamkeit und Aufklärung. Die Bibliothek des Kölner Universitätsrektors Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824), Köln 2006, 40-48, hier: 43. Stremke gibt als Entstehungsjahr des Gutachtens 1774 an. Die Reise nach Süddeutschland, auf die sie sich bezieht, fand allerdings erst 1783 statt.

[10] Pabst: Reichsstadt (wie Anm. 1), 44.

[11] Stremke: Wallraf (wie Anm. 9), 44.

[12] Pabst: Reichsstadt (wie Anm. 1), 44.

[13] Mahtab Salman-nia: Biographische Skizze, in: Anne Bonnermann et al.: Zwischen antiquarischer Gelehrsamkeit und Aufklärung. Die Bibliothek des Kölner Universitätsrektors Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824), Köln 2006, 25-32, hier: 25f.

[14] Pabst: Reichsstadt (wie Anm. 1), 44; Stremke: Wallraf (wie Anm. 9), 44.

[15]Groten: Stadtuniversität (wie Anm. 4), 52.

[16] Stremke: Wallraf (wie Anm. 9), 45; zum neuen Studienprogramm der Gymnasien von 1779 siehe ebd., 42 und auch Meuthen: Alte Universität (wie Anm. 2), 384-386.

[17] Groten: Stadtuniversität (wie Anm. 4), 52f.

[18] Pabst: Reichsstadt (wie Anm. 1), 47.

[19] Groten: Stadtuniversität (wie Anm. 4), 60.

[20] Papst: Reichsstadt (wie Anm. 1), 50.

[21] Groten: Stadtuniversität (wie Anm. 4), 58.

[22] Papst: Reichsstadt (wie Anm. 1), 50f.

[23] Papst: Reichsstadt (wie Anm. 1), 51.

[24] „Beschluss wegen der Schulen und des öffentlichen Unterrichtes“, 28. April 1798 (9. Floréal VI), in: Alexander von Daniels (Hg.): Handbuch der für die Königl. Preuß. Rheinprovinzen verkündigten Gesetze, Verordnungen und Regierungsbeschlüsse aus der Zeit der Fremdherrschaft, Bd. 6, Köln 1841, Nr. 285, 671-674, hier: 671f. (Digitalisat Daniels: Handbuch) In Übersetzung siehe auch Groten: Stadtuniversität (wie Anm. 1), 61f.

[25] Erich Meuthen: Kleine Kölner Universitätsgeschichte, Köln 1998, 27. Online unter: http://www.portal.uni-koeln.de/universitaetsgeschichte.html (15.03.2017); Papst: Reichsstadt (wie Anm. 1), 51.

Empfohlene Zitierweise
Laura Valentini, Das Ende der alten Universität, aus: Gudrun Gersmann, Stefan Grohé (Hg.), Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824) — Eine Spurensuche in Köln (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00001), in: mapublishing, 2016, Seitentitel: Das Ende der alten Universität (Datum des letzten Besuchs).