Die napoleonische Zeit und die Erweiterungen im 19. und 20. Jahrhundert

Lisa Jureczko

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Im Jahre 1801, nach dem Frieden von Lunéville, wurden die linksrheinischen Gebiete, die Frankreich schon 1794 besetzt hatte, offiziell französisch. [1] Dies hatte nicht nur Auswirkungen auf die Stadt Köln, sondern auch auf die Bestattungskultur im Rheinland. Insbesondere das 'Décret imperial sur les sépultures' aus dem Jahre 1804 mit seinen 27 Artikeln sorgte für eine komplette Umstellung der bisherigen Traditionen und Bräuche. Das Dekret beinhaltete insbesondere Regelungen zur Bepflanzung, Größe und Aufteilung neu zu errichtender Friedhofsanlagen. Vor allem die katholische Bevölkerung, die sich bisher im Bereich der Kirchhöfe innerhalb der Stadt bestatten ließ, war von dieser Änderung betroffen, denn auf Verordnung der französischen Regierung wurden die Pfarrfriedhöfe Kölns am 12. Juni 1804 geschlossen. [2]

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1808 erwarb die Hospizienkommission die 1767 geschlossene Fläche des ehemaligen Leprosenheimes mitsamt der noch bestehenden Kapelle. [3] Der Melatenfriedhof wurde jedoch erst am 29. Juni 1810 durch Dompfarrer Michael Joseph DuMont (1746-1818) eingeweiht. [4] Ein Festzug schritt von der Pfarrkirche St. Aposteln zum Melatenfriedhof, der sich außerhalb der damaligen Stadtmauern befand. [5] Ebendiese Weihung wird in einer Inschrift auf der Nordseite des Haupteinganges benannt. Am 10. Juli 1810 erfolgte dann die offizielle Eröffnung der Friedhofsanlage. [6] Auf dem Friedhof durften zunächst nur Katholiken bestattet werden, ab 1829, als Köln zu Preußen gehörte, konnten auch Protestanten auf dem Melatenfriedhof beigesetzt werden. [7] Des Weiteren wurden diverse Regelungen bezüglich der Aufbahrungsfrist sowie der Bestattung in Reihen im Jahre 1829 präzisiert. [8]

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Die Größe der Anlage lag 1810 bei etwa 10,5 Morgen Land. Begrenzt wurde das Gebiet im Süden durch eine Mauer entlang der Aachener Straße, an den restlichen Seiten wurden Hecken als Begrenzung genutzt. [9] Dass die Kapelle St. Maria Magdalena und Lazarus des einstigen Leprosenhauses von Beginn an Teil der Friedhofsanlage war, ist Ferdinand Franz Wallraf zu verdanken. [10] Während die reichen Bürger der Stadt im Bereich der Hauptachse beerdigt wurden, lag der Bereich der „Armenbestattungen an der nördlichen Grenze des Friedhofs“ [11], also dort, wo sich heute die sogenannte Millionenallee befindet. [12]

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Aus der Frühphase des Friedhofs stammt das heute mittlere Friedhofstor, welches von Wallraf konzipiert wurde. Inspiration fand er hierfür unter anderem in der Form ägyptischer Pylone. [13] Alle anderen Toreingänge sind Nachbauten, so auch die in den 1870er und 1880er Jahren erbauten Eingangstore im Westen und Osten. [14] Teil des Eingangsbereichs sind auch zwei viertelkreisförmige Ausbuchtungen zu beiden Seiten des Tores, die mit goldenen Inschriften verziert sind. [15]

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Die Inschrift über dem Eingang, im Bereich des Giebels, lautet wie folgt: FVNERIBVS AGRIPPINENSIVM SACER LOCVS, was übersetzt so viel bedeutet wie „Heilige Stätte für die Toten Kölns“ [16]. Laut Rick deutet dies darauf hin, dass sich die Kölner Bürger eher mit ihrer Stadtmutter Iulia Agrippina identifizierten, als mit Köln als Colonia, also als römische Kolonie. [17]

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Die seitlichen Inschriften wiederum lauten: TRANSI NON SINE VOTIS MOX NOSTER und HAVE IN BEATIVS AEVVM SEPOSTA SEGES. [18] Rick übersetzt es wie folgt: „Geh nicht vorüber ohne fromme Gebete, du, bald der Unsrige.“ und „Gruß dir, auf bessere Zukunft gesäte Saat.“ [19] Neben den monumentalen Haupteingängen befindet sich ein kleineres Tor nahe der alten Friedhofskapelle St. Johann Baptist. [20]

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In ebendiesem Bereich befinden sich auch zwei von Wallraf konzipierte Inschriftentafeln. Davon besagt eine, die neben der Skulptur eines Leprakranken befestigt ist: „GEDENKE, / DASS DU SEIN WIRST, / WAS WIR SIND. / DEN KRANKEN KÖLNS / EIN DENKMAL.“ Zum anderen befindet sich zwischen dem kleinen Eingangsbereich vor der Kirche und dem ursprünglichen Haupteingang des Melatenfriedhofs eine aufwändige Inschrift Wallrafs und Johann Joseph Mannebachs (1765-1832), die die Vorbeiziehenden ihrer Vergänglichkeit gemahnt:

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„Was die Erde gab, begehrt sie wieder

Und was Staub gewesen, wird zu Staub.

Doch die Seele steigt vom Himmel wieder,

wohl der Gottheit, keines Todes Raub.

Unsere Tränen fallen auf den Hügel

Der geliebten Überrest deckt,

doch des Glaubens goldbeschwingter Flügel

trägt uns aufwärts, wo kein Grab mehr schreckt.“ [21]

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Der Friedhof wurde seit seiner Eröffnung stets erweitert. Zwischen 1831 und 1833 erfolgte eine Vergrößerung der Fläche von 12 auf 30 Morgen Land. [22] Dadurch verlängerte sich auch die östliche Hauptachse. Erweiterungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (ab 1848/1849) sind Johannes Ibach (1825-1908) zuzuschreiben. [23] Auch im Rahmen dieser Erweiterung wurde die östliche Hauptachse verlängert und erreichte ihre heutige Ausdehnung. Während 1868 dann im südöstlichen Teil ein Ausbau um sechs Felder vollzogen wurde, vergrößerte man 1872 bis 1874 die Fläche im südwestlichen Bereich entlang der ehemaligen Mechternstraße. [24] Mit der Erweiterung 1868 entstand außerdem eine Kopie des ursprünglichen Haupteinganges: Der heutige Osteingang des Friedhofs an der Aachener Straße. [25]

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Eine weitere relevante Erweiterung fand 1884 statt, als der Melatenfriedhof mit dem sogenannten Neuen Friedhof an der Mechternstraße vereint wurde. [26] Obwohl man darauf achtete, die neuen Strukturen dem alten Gelände anzupassen, weist dieser Teil des Friedhofs eine „optische Milderung einer allzu strengen Rasterung“ [27] auf. Ein Plan aus dem Jahr 1897 zeigt die noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts vorhandene Trennung des Areals durch die Mechternstraße. [28] Im Rahmen dieser Vergrößerung entstand im westlichen Bereich zudem ein drittes Eingangstor. [29] Zwischen 1947 und 1948 erfolgten erneut Erweiterungen im Nordosten und Nordwesten des Areals. 1956 und 1957 kam es zu Umbauten im nordöstlichen Areal. [30]

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Die jeweiligen Erweiterungen sind vor allem an der Heterogenität der Außenmauer im Bereich der Aachener Straße erkennbar. Auf eine schlichte Mauer aus weißen Quadern folgt eine verspielt-mittelalterlich anmutende Mauer im Bereich vor der Kirche, welche gen Westen von einer roten Backsteinmauer abgelöst wird. Interessant ist auch der Bereich hinter der Kapelle St. Maria Magdalena und Lazarus. Hier findet sich noch die alte Begrenzung des Friedhofsareals, welche schräg verlief. Ebenso sind vor der Kirche einige Gräber des 19. und frühen 20. Jahrhunderts vorzufinden, die sowohl antikisierende als auch an die gotische Architektur angelehnte Elemente aufweisen, auf deren Bedeutung im Rahmen der Beschäftigung mit der alten Hauptachse sowie den Gräbern aus Wallrafs Zeit genauer eingegangen werden soll.

Anmerkungen

[1] Marianne Vogt-Werling / Michael Werling: Der Friedhof Melaten in Köln. Alle Denkmäler und ihre Zukunft, Köln 2010, 10; Wolfgang Stöcker: Die letzten Räume. Sterbe- und Bestattungskultur im Rheinland seit dem späten 18. Jahrhundert, Köln / Weimar / Wien 2006, 54-57.

[2] Vogt-Werling / Werling: Friedhof Melaten (wie Anm. 1), 10; Arnold Stelzmann: Illustrierte Geschichte der Stadt Köln, 3. verb. Aufl., Köln 1962, 239.

[3] Vogt-Werling / Werling: Friedhof Melaten (wie Anm. 1), 10.

[4] [Stadtkonservatorin der Stadt Köln]: Der Friedhof Melaten in Köln-Lindenthal. Ein kulturhistorischer Überblick, in: Jürgen Roters (Hg.): 200 Jahre Melaten. Festschrift und Veranstaltungsprogramm, Köln 2010, 6-11, hier: 6. (Digitalisat Roters: Melaten); Vogt-Werling / Werling: Friedhof Melaten (wie Anm. 1), 10.

[5] [Stadtkonservatorin der Stadt Köln]: Friedhof Melaten (wie Anm. 4), 6.

[6] Vogt-Werling / Werling: Friedhof Melaten (wie Anm. 1), 10.

[7] [Stadtkonservatorin der Stadt Köln]: Friedhof Melaten (wie Anm. 4), 6; Stöcker: Räume (wie Anm. 1), 55. Juden erhielten erst 1892 das Bestattungsrecht für den Melatenfriedhof, vgl. Ilona Priebe: Friedhof Melaten. Vom Leprosenhaus zur Millionenallee, 3. überarb. Aufl., Köln 2009, 7.

[8] Stöcker: Räume (wie Anm. 1), 65f.

[9] Vogt-Werling / Werling (Hg.): Friedhof Melaten (wie Anm. 1), 11.

[10] Priebe: Friedhof Melaten (wie Anm. 7), 6.

[11] Priebe: Friedhof Melaten (wie Anm. 7), 7.

[12] Priebe: Friedhof Melaten (wie Anm. 7), 6f.

[13] Konrad Adenauer / Volker Gröbe: Lindenthal. Die Entwicklung eines Kölner Vorortes, Köln 1987, 162.

[14] Adenauer / Gröbe: Lindenthal (wie Anm. 13), 162f; [Stadtkonservatorin der Stadt Köln]: Friedhof Melaten (wie Anm. 4), 8.

[15] Adenauer / Gröbe: Lindenthal (wie Anm. 13), 163. Die Entscheidung, ebendiese Inschriftentexte zu wählen, erläutert Wallraf sehr detailliert in einer 1809 veröffentlichten Publikation, siehe Ferdinand Franz Wallraf: Ueber den neuen stadtkölnischen Kirchhof zu Melaten. Kritische Auswahl unter den darzu gelieferten Inschriften samt der Darstellung einer Einrichtung desselben, wie sie für den Ort und den Geschmack der Zeit passte, Köln 1809.

[16] [Stadtkonservatorin der Stadt Köln]: Friedhof Melaten (wie Anm. 4), 7.

[17] Detlef Rick: Melaten. Gräber erzählen Stadtgeschichte, Köln 2006, 10.

[18] Johannes Ibach / Hermann Robert Jung: Der Friedhof zu Köln-Melaten, Nachdruck der Ausgabe Köln 1898, Köln 1985, 4.

[19] Rick: Melaten (wie Anm. 17), 13.

[20] Adenauer / Gröbe: Lindenthal (wie Anm. 13), 168.

[21] Vgl. auch Johannes Bastgen: 200 Jahre Melaten. Gedanken zur Trauer- und Friedhofskultur, in: Jürgen Roters (Hg.): 200 Jahre Melaten. Festschrift und Veranstaltungsprogramm, Köln 2010, 22-25, hier: 22. (Digitalisat Roters: Melaten)

[22] Adenauer / Gröbe: Lindenthal (wie Anm. 13), 162.

[23] Johann Ralf Beines (Bearb.): 175 Jahre Kirchhof zu Melaten bey Coeln 1810–1985. Ausstellung des Stadtkonservators Köln, Köln 1985, 2.

[24] Ibach / Jung: Friedhof (wie Anm. 18), 3.

[25] [Stadtkonservatorin der Stadt Köln]: Friedhof Melaten (wie Anm. 4), 8.

[26] Priebe: Friedhof Melaten (wie Anm. 7), 7.

[27] [Stadtkonservatorin der Stadt Köln]: Friedhof Melaten (wie Anm. 4), 9.

[28] Rick: Melaten (wie Anm. 17), 13, Abb. unten.

[29] Adenauer / Gröbe: Lindenthal (wie Anm. 13), 163.

[30] Rick: Melaten (wie Anm. 17), 12.

Empfohlene Zitierweise
Lisa Jureczko, Die napoleonische Zeit und die Erweiterungen im 19. und 20. Jahrhundert, aus: Gudrun Gersmann, Stefan Grohé (Hg.), Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824) — Eine Spurensuche in Köln (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00001), in: mapublishing, 2016, Seitentitel: Die napoleonische Zeit (Datum des letzten Besuchs).