Das Wallraf-Richartz-Grabdenkmal

Lisa Jureczko

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Das Grabmal Ferdinand Franz Wallrafs, welches am alten Haupteingang des Melatenfriedhofs liegt, scheint lange Zeit schlicht und unscheinbar gewesen zu sein. [1] Als Grund hierfür nennt Leonard Ennen vorwurfsvoll die finanzielle Lage der Stadt Köln. [2] Dennoch weist die prominente Lage des Grabs auf die Relevanz Wallrafs für die Stadt Köln sowie seine Rolle als Stadtreformer und Begründer des Melatenfriedhofs hin. Das zunächst einzig für Wallraf konzipierte Grab wurde nach Johann Heinrich Richartz‘ (1796-1861) Tod im Jahre 1861 zu einem Doppelgrab umfunktioniert. Hierbei scheint es sich um eine Entscheidung der Stadt Köln zu handeln, um die Relevanz der beiden Persönlichkeiten für die Stadt Köln hervorzuheben.

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Nach Wallrafs Tod fertigten diverse Bildhauer Entwürfe für sein Grabmal an. So erwähnt Friedrich Müller beispielsweise einen vermutlich 1849 entstandenen Entwurf des Kölner Bildhauers Johann Josef Imhoff d. J. (1796-1860). Das Grabmal, welches aus einer Büste Wallrafs und einer Personifikation der Colonia bestand, beschreibt Müller wie folgt: „Die Figur Colonia ist durchaus edel und hehr, auch die Gewandung entsprechend ausgeführt.[3] Erwähnt wird ebendiese Büste auch bei Johann Jakob Merlo, der eine sehr detaillierte Beschreibung des Entwurfes zitiert:

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Colonia reicht einem der edelsten ihrer Söhne, einem der würdigsten ihrer Bürger den verdienten Lorbeer. Das Ganze macht eine sehr schöne Wirkung. Die über sieben Fuß hohe Figur der Colonia ist, was Ausdruck des Kopfes, die Bewegung und die Linien überhaupt angeht, durchaus edel gehalten, voll ernster Majestät. Ihre Linke hält eine Lebenstafel, mit der Rechten setzt sie der kolossalen, sprechend ähnlichen Büste Wallrafs den Kranz auf, und stützt den rechten Fuß auf den Sockel des Piedestals, auf welchem die Büste steht, - eine Bewegung, wodurch die Linien auf eine anmutige Weise gebrochen werden. Gut verstanden, der Würde des Ganzen entsprechend,  ist der Faltenwurf und die Anordnung der Gewänder.“ [4] Ausgeführt wurde das von Imhoff konzipierte Grabdenkmal letztendlich doch nicht. [5]

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Auch ein 1867 von Julius Raschdorff (1823-1914) konzipierter Entwurf für ein Grabdenkmal Wallrafs sowie auch Johann Heinrich Richartz‘, den 1861 verstorbenen Stifter des Wallraf-Richartz-Museums, ist erhalten. Die Darstellung des Grabmals im Architektonischen Skizzenbuch zeigt ein weniger pathetisches Denkmal als der oben beschriebene Entwurf Imhoffs. [6] Dennoch wirkt es monumental und imposant, insbesondere aufgrund der mächtigen Inschriftenplatte sowie der an diese angrenzenden Rückwand. Die Inschriftenplatte weist zwei aufwendige Inscriptionen auf, wie sie für Grabdenkmäler des 19. Jahrhunderts typisch sind. Rechts und links angrenzend sind zwei Sockel zu sehen, auf denen sich zwei sitzende Engelsgestalten befinden. Die Rückwand des Monuments weist zwei antikisierende Porträttondi mit den Bildnissen Wallrafs und Richartz‘ auf. Mittig befindet sich ein Kreuz, während sich über und unter den Bildnissen schmale Stege mit weiteren Inscriptionen befinden. Auch dieser Entwurf wurde nicht realisiert.

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Relevant für das spätere Wallraf-Richartz-Grabdenkmal sind Skizzen Gustav Hermann Blaesers (1813-1874) vom 6. Mai 1856. [7] Die auf einem Notizblatt erhaltenen Federskizzen erwähnt Blaeser nur ein einziges Mal, zumindest sind keine weiteren Schriften erhalten, die auf die 1856 begonnenen Verhandlungen mit der Stadt Köln oder spätere Vorbereitungen des Grabdenkmales hindeuten. [8] Die Skizzen zeigen vier verschiedene Einzelfiguren auf schlichten Postamenten. Oben links ist Richartz als Bauherr des späteren Wallraf-Richartz-Museums zu sehen, der einen aufgeklappten Grundriss in seiner Linken und möglicherweise einen Stift in seiner Rechten hält. Die Skizze rechts oben wiederum stellt Wallraf im Ornat eines Klerikers dar, welcher vermutlich ein Kunstobjekt in seiner Rechten hält. Die beiden unteren Skizzen zeigen von der oberen Zeichnung abweichende Darstellungen Wallrafs: Zum einen sieht man ihn links mit einem Architekturmodell des Museums, zum anderen rechts mit einer auf einer Stütze abgelegten Bauzeichnung.[9] Puls geht davon aus, dass das Goethe-Schiller-Denkmal in Weimar Blaeser nicht als Vorbild diente, da die Figuren seiner Meinung nach zu isoliert voneinander seien. [10] Des Weiteren ist Puls der Meinung, Blaeser habe sich an der Schinkel-Statue Tiecks sowie der Thaer-Statue Rauchs orientiert. [11] Relevant ist in dem Fall jedoch, dass der Entwurf Blaesers sowie auch die Skulptur Anton Werres‘ (1830-1900) den Einfluss öffentlicher Denkmalskunst auf die Errichtung von Grabdenkmälern verdeutlichen. [12] Darstellung und Form der Einzelstatuen als solche seien zudem auch auf das „Fehlen faktischer und ideeller Gemeinsamkeiten zwischen dem Sammler und dem Finanzier“ [13] zurückzuführen.

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Die Skizzen Blaesers wurden erst 1867 durch seinen Schüler Anton Werres für ein Grabdenkmal Wallrafs und Richartz‘ genutzt. [14] Während Blaeser die beiden Persönlichkeiten noch separat darstellte, findet durch Werres eine „skulpturale Vereinigung“ [15] der beiden Statuen zu einer „szenischen Gruppe“ [16] statt. Wallraf und Richartz werden hier als „Sammler und Stifter im Gespräch“ [17] dargestellt. Das „auf städtische Kosten“ [18] 1867 entstandene Denkmal wird 1888 von Siegert wie folgt beschrieben: „Das Material des Unterbaues ist grüner schwäbischer Sandstein, dasjenige der Figuren ist Savonnières-Kalkstein, welcher heute leider schon stark verwittert ist. Entwurf und Ausführung sind vom Bildhauer Anton Werres. Die Kosten haben ungefähr 6000 Mark betragen.[19]

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Der von Siegert erwähnte schlechte Zustand des Denkmals führte dazu, dass dieses 1890 erneuert werden musste. [20] Das Denkmal, welches sich am Anfang der östlichen Hauptachse befand, wurde im Zweiten Weltkrieg so stark zerstört, dass es in den 1950er Jahren durch einen schlichten Grabstein ersetzt werden musste. [21] Diesen entwarf der Bildhauer Heribert Calleen (geb. 1924). [22]

Anmerkungen

[1] Ilona Priebe: Friedhof Melaten. Vom Leprosenhaus zur Millionenallee, 3. überarb. Aufl., Köln 2009, 10.

[2] Leonard Ennen: Zeitbilder aus der neueren Geschichte der Stadt Köln, mit besonderer Rücksicht auf Ferdinand Franz Wallraf, Köln 1857, 390f. (Digitalisat Ennen: Zeitbilder)

[3] Friedrich Müller / Karl Klunzinger (Hg.): Die Künstler aller Zeiten und Völker oder Leben und Werke der berühmtesten Baumeister, Bildhauer, Maler, Kupferstecher, Formschneider, Lithographen etc. von den frühesten Kunstepochen bis zur Gegenwart, Bd. 2, Stuttgart 1860, 423. (Digitalisat Müller / Klunzinger: Künstler)

[4] [Franz Klutschak]: Mosaik, in: Bohemia oder Unterhaltungsblätter für gebildete Stände 22 (1849), Nr. 88. (Digitalisat Bohemia 22); Johann Jakob Merlo: Nachrichten von dem Leben und den Werken Kölnischer Künstler, Köln 1850, 214. (Digitalisat Merlo: Nachrichten (20.01.2015).

[5] Michael Puls: Anhang I: Katalog der Modelle für das in Köln zu errichtende Königs-Denkmal Friedrich Wilhelm III., in: Ralf Beines / Walter Geis / Ulrich Krings (Hg.): Köln: Das Reiterdenkmal für König Friedrich Wilhelm III. von Preußen auf dem Heumarkt, Köln 2004, 160-179, hier: 161.

[6] Julius Raschdorff: Wallraf-Richardtz-Grab in Cölln, in: Architektonisches Skizzenbuch 5 (1867), Blatt 2.

[7] Für weitere Informationen zum Werdegang Blaesers siehe: Ralf Beines: Lexikon der Künstler und Kunsthandwerker nebst anführenden Firmen, in: Ders. / Walter Geis / Ulrich Krings (Hg.): Köln: Das Reiterdenkmal für König Friedrich Wilhelm III. Von Preußen auf dem Heumarkt, Köln 2004, 250-301, hier: 255–262.

[8] Michael Puls: Gustav Hermann Blaeser. Zum Leben und Werk eines Berliner Bildhauers. Mit Werkverzeichnis der plastischen Arbeiten, Köln 1996, 329.

[9] Puls: Blaeser (wie Anm. 8), 340.

[10] Puls: Blaeser (wie Anm. 8), 108, 340.

[11] Puls: Blaeser (wie Anm. 8), 109.

[12] Norbert Fischer: Zwischen Naturästhetik und Technokratie. Zur Sozialgeschichte von Friedhöfen und Krematorien in der Moderne, in: Dorle Dracklé (Hg.): Bilder vom Tod. Kulturwissenschaftliche Perspektiven, Münster / Hamburg / London 2001, 67-80, hier: 72.

[13] Puls: Blaeser (wie Anm. 8), 109.

[14] Puls: Blaeser (wie Anm. 8), 329.

[15] Puls: Blaeser (wie Anm. 8), 109.

[16] Puls: Blaeser (wie Anm. 8), 340.

[17] Priebe: Friedhof Melaten (wie Anm. 1), 10.

[18] H. Siegert: Denkmäler, in: Architekten- und Ingenieurverein für Niederrhein und Westfalen (Hg.): Köln und seine Bauten. Festschrift zur VIII. Wanderversammlung des Verbandes Deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine in Köln, vom 12. bis 16. August 1888, Köln 1888, 336-350, hier: 347. (Digitalisat Architekten- und Ingenieurverein: Köln und seine Bauten)

[19] Siegert: Denkmäler (wie Anm. 18), 347.

[20] Peter Bloch: Skulpturen des 19. Jahrhunderts im Rheinland, Düsseldorf 1975, 43.

[21] Bloch: Skulpturen (wie Anm. 20), 43; Priebe: Friedhof Melaten (wie Anm. 1), 10.

[22] Priebe: Friedhof Melaten (wie Anm. 1), 10.

Empfohlene Zitierweise
Lisa Jureczko, Das Wallraf-Richartz-Grabdenkmal, aus: Gudrun Gersmann, Stefan Grohé (Hg.), Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824) — Eine Spurensuche in Köln (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00001), in: mapublishing, 2016, Seitentitel: Das Wallraf-Richartz-Grabdenkmal (Datum des letzten Besuchs).