Exkurs: Zur Biographie Eberhard von Grootes (1789-1864)

Vanessa Skowronek

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Eberhard von Groote

Bild: ©Rheinisches Bildarchiv Köln, rba_d017969

Eberhard [1] von Groote war Sozialpolitiker, Literaturwissenschaftler, Volontäroffizier und Kölner Lokalpatriot. [2] Er wurde 1789 als zweiter Sohn des kaiserlichen Oberpostmeisters Everhard von Groote (1756-1820) in eine Kölner Patrizierfamilie hineingeboren. 1794 flüchtete die streng katholische Familie vor der anrückenden französischen Revolutionsarmee nach Arnsberg. Dort verbrachte Eberhard mit seinen fünf Geschwistern seine Kindheit (zwei Jahre davon in Siegen), bis die Familie im Jahre 1802 wieder nach Köln zurückkehrte.

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Seine schulische Ausbildung sowie sein Studium absolvierte Groote zusammen mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Joseph (1791-1866). Zunächst von einem Privatlehrer unterrichtet, besuchten die beiden ab 1807 die Sekundarschule und somit erstmals eine öffentliche Bildungsanstalt. Einer ihrer Lehrer war Ferdinand Franz Wallraf, der letzte Rektor der alten Universität, mit dem Groote eine lebenslange Freundschaft verband. Ihr Studium begannen die Brüder mit Privatvorlesungen bei Professor Jakob Hamm (1745-1831) über römisches Recht. Eberhard von Groote interessierte sich zudem für die Philosophievorlesungen Friedrich Schlegels (1772-1829), die auch seine Freunde, die Brüder Boisserée, besuchten. [3] Die Jahre von 1809 bis 1811 verbrachten Eberhard und Joseph an der Universität in Heidelberg, wo sie sich mit historischen, philosophischen und rechtswissenschaftlichen Studien befassten. Eberhards Schwerpunkt – und somit wohl auch sein Interesse – lag allerdings dem Anschein nach eindeutig in den Geisteswissenschaften. [4]

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Nicht zuletzt durch die Studienjahre in Heidelberg, die Brüder Boisserée und die Freundschaft zu dem politischen Publizisten Joseph Görres (1776-1848) begeisterte sich der junge Groote für die patriotische, deutschnationale Bewegung, eine Begeisterung, die er zeitlebens beibehielt. 1814 trug sich Groote als Erster auf der Liste zum Freiwilligendienst im Kampf gegen Napoleon ein, wurde aber zunächst nicht einberufen. Erst nach der erneuten Machtübernahme Napoleons wurde Groote als Offizier in das Dritte Preußische Armeecorps berufen. Auf seine Initiative hin wurde er dann mit der Rückführung der Kunstgegenstände aus Paris beauftragt und konnte zur großen Freude der Kölner die Kreuzigung Petri von Rubens wieder in ihre Heimatstadt bringen. Die Tagebücher über seine Pariser Mission veröffentlichte Groote in überarbeiteter Form 1824 in der Zeitschrift Agrippina. [5]

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Anlässlich seiner Rückkehr nach Köln erschien ein Artikel in der Kölnischen Zeitung, in dem Eberhard von Grootes Verdienste während seines Kriegsdienstes für seine Vaterstadt, besonders die Rückführung des Rubens´ gerühmt wurden. Der Artikel schloss mit der Hoffnung, Groote möge es „auch fernere Gelegenheit nicht mangeln, für das Wohl dieser Stadt zu wirken, um auf die Knospen ihrer Hoffnungen den belebenden Stral [!] herbeizurufen, der sie zu Blüth und Frucht gestalten soll.“ [6] Gelegenheit dazu bot sich schon im Februar 1816, als Eberhard von Groote vom Kölner Rat als Deputierter nach Berlin gesandt wurde, um dort für die Interessen der Stadt – insbesondere für die Idee der Wiedereinrichtung der Universität – einzutreten. Die Reise nutzte er zudem, um neue Kontakte im Gesellschaftsleben zu knüpfen: Sogar eine Audienz beim Kronprinzen wurde ihm gewährt.

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Neben seinem politischen Engagement im Zuge der Rückführungsmission und während des Universitätsstreits mit Bonn stellte Groote seinen Enthusiasmus für seine Vaterstadt auch kulturell und sozialpolitisch unter Beweis. Ab 1831 war Groote zwanzig Jahre lang als Präsident der Armenverwaltung tätig. Zudem befasste er sich mit der Waisenpflege, zu deren Verbesserung er eine Schrift verfasste. [7] Maßgeblich war er auch 1839 an der Konstituierung des Kölnischen Kunstvereins beteiligt, zu dessen Präsidenten er schließlich auch gewählt wurde. Eine zentrale Rolle spielte Groote ebenso bei der Gründung des Zentral-Dombau-Vereins, der sich für die Fertigstellung des Doms stark machte, und zu dessen Vorstandsmitgliedern Groote gehörte.

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Das soziale Leben des frühen 19. Jahrhunderts spielte sich in Köln in Gesellschaften ab, in die Groote weitestgehend eingebunden war. In Berlin trat er der Deutschen Gesellschaft bei, und in Köln war er unter anderem Mitglied der von Wallraf gegründeten „Olympischen Gesellschaft“ sowie der „Namenlosen Gesellschaft“. Dadurch stand er zu den vielen wichtigen Persönlichkeiten der Stadt in Kontakt und konnte sein Netzwerk weiter ausbauen.

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Sein großes Interesse galt dem Bereich der Sprache und der Literatur. So verfasste er neben Gedichten und einem Trauerspiel das philosophische Werk „(Faust´s) Versöhnung mit dem Leben“ [8] und war in seinem Schaffen ganz Kind der Romantik. 1815 wirkte Groote als Mitherausgeber für das „Taschenbuch für Freunde altdeutscher Zeit und Kunst auf das Jahr 1816“ [9] mit dem er besonders seinen eigenen poetischen Werken eine Plattform schuf. Auch andere Literaten und Gelehrte publizierten im „Taschenbuch“, unter anderem Wallraf, und Joseph Görres und Wilhelm Grimm (1786-1859). [10] Durch den Kontakt zu den Brüdern Grimm verstärkte sich Grootes Interesse an der germanistischen Mediävistik. Seine literaturwissenschaftliche Tätigkeit bezog sich vor allem auf das Edieren mittelalterlicher Handschriften, unter denen besonders die Edition des Tristan hervorzuheben ist. [11]

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Beruflich hatte Groote einige Rückschläge zu verkraften. Seit 1816 war er Regierungsassessor bei der Kölner Bezirksregierung. Für diese Arbeit, die ihn langweilte, erhielt er keinerlei Bezüge oder Diäten, sodass er knapp zehn Jahre lang mit verschiedenen Anlaufstellen kämpfte, um eine Beförderung zum Regierungsrat mit Besoldung zu erlangen. Alle Versuche scheiterten jedoch, und Groote schied 1827 schließlich aus dem Dienst aus. Als Groote, dessen Familie drei Bürgermeister des 18. Jahrhunderts gestellt hatte, sich 1823 um das Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Köln bewarb, war auch dieser Versuch nicht von Erfolg gekrönt.

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Der gegen Ende seines Lebens stark schwerhörige Groote zog sich nach seinen gescheiterten Plänen ins Privatleben zurück. Aus seiner 1818 geschlossenen Ehe mit Franziska von Kempis (1797-1868) waren elf Kinder hervorgegangen. Eberhard von Groote verstarb 1864 im Alter von 75 Jahren. Auf dem Melatenfriedhof wurde er am 18. April in der Familiengruft beigesetzt. Der Stadt Köln vermachte er wertvolle Handschriften, Frühdrucke und Bücher.
 

Anmerkungen

[1] Neben ‚Eberhard‘ ist auch ‚Everhard‘ in der Literatur zu finden. Getauft wurde Groote auf den Namen ‚Everhardus‘, Groote selbst gebrauchte beide Varianten.

[2] Ausführlich mit der Person Eberhard von Grootes beschäftigen sich Willi Spiertz: Eberhard von Groote. Leben und Werk eines Kölner Sozialpolitikers und Literaturwissenschaftlers (1789-1864), Köln / Weimar / Wien 2007 sowie Adolf Giesen: Eberhard von Groote. Ein Beitrag zur Geschichte der Romantik am Rhein, Gladbach-Rheydt 1929.

[3] In den Unterlagen Grootes fanden sich Mitschriften, ob er allerdings selbst an der Vorlesung teilgenommen hat, ist fraglich, vgl. Spiertz: Eberhard von Groote (wie Anm. 2), 41.

[4] Das ist aus seinen Stundenplänen ersichtlich. Eine Studienübersicht ist teils abgedruckt bei Spiertz: Eberhard von Groote (wie Anm. 2), 46-49.

[5] Eberhard von Groote: Die Wegnahme der durch die Franzosen geraubten Kunstschätze in Paris 1815, in: Agrippina. Zeitschrift für Poesie, Literatur, Kritik und Kunst 1 (1824), Nr. 24-37. 2015 erschien der erste Band der Edition von Grootes Tagebuch: Eberhard von Groote: Tagebuch 1815–1824. Erster Band 1815, bearb. von Barbara Becker-Jákli, Düsseldorf 2015.

[6] Kölnische Zeitung Nr. 6 vom 11.1.1816.

[7] Eberhard von Groote: Das Waisenhaus zu Köln am Rheine zum Besten der Anstalt dargestellt, Köln 1835. (Digitalisat Groote: Waisenhaus)

[8] Eberhard von Groote: Versöhnung mit dem Leben, Köln 1816.

[9] [Friedrich Wilhelm Carové / Eberhard von Groote (Hg.)]: Taschenbuch für Freunde altdeutscher Zeit und Kunst auf das Jahr 1816, Köln 1815. (Digitalisat Carové / Groote: Taschenbuch)

[10] Für eine Auflistung aller Beitragsschreiber siehe Spiertz: Eberhard von Groote (wie Anm. 2), 60f.

[11] Eberhard von Groote (Hg.): Tristan von Meister Gotfrit von Straszburg mit der Fortsetzung des Meisters Ulrich von Turheim, Berlin 1821. (Digitalisat Groote: Tristan)

Empfohlene Zitierweise
Vanessa Skowronek, Exkurs: Zur Biographie Eberhard von Grootes, aus: Gudrun Gersmann, Stefan Grohé (Hg.), Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824) — Eine Spurensuche in Köln (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00001), in: mapublishing, 2017, Seitentitel: Exkurs: Zur Biographie Eberhard von Grootes (Datum des letzten Besuchs).