Sammlungsobjekte vor 1800
Kim Opgenoorth
Wallrafs Objekte erzählen eine Geschichte von Motivation, pädagogischem Engagement und Sammelleidenschaft. Über sie können wir einiges über die Interessen und persönlichen Ziele des „frühen Wallraf“ in Erfahrung bringen. Vielen ist Wallraf heute vor allem als leidenschaftlicher Kunstsammler bekannt, das war allerdings nicht immer so und betrifft erst die Zeit nach 1800, als Wallraf unter dem Eindruck des „Kunstraubes” und der Säkularisation seine Energie vor allem auf die Rettung von Büchern und Kunstschätzen verwendete [1]: Statt für Ölgemälde und Holzverzierungen hat er sich in jungen Jahren hingegen zunächst für Steinproben und Felsbrocken begeistert. Schon als 26-Jähriger sei er „auf Steinjagd“ [2] gewesen, so heißt es in einem Brief aus dem Jahre 1773. Im Zuge eines längeren Aufenthalts im schwäbischen Baldern soll Wallraf sogar den Spitznamen „Steinherrle“ bekommen haben. [3] Tatsächlich wird in einer der wenigen erhaltenen frühen Korrespondenzen berichtet, dass Wallraf schon Anfang der 1770er Jahre Kupferstiche, Bücher und Mineralien gekauft und Empfehlungen für wertvolle Stücke entgegengenommen hat. [4]
Obwohl in Wallrafs Nachlass auch Belege über Bücherkäufe, Rechnungen für Bindearbeiten und Korrespondenzen mit Geschäftspartnern für die Zeit vor 1800 zu finden sind, [5] lässt sich damit in der Regel nur wenig anfangen: Viele Beschreibungen sind ungenau oder beziehen sich auf größere Gruppen von Objekten, die dann allgemein als eine „Portion Kupferstiche“ oder als ein „Konzertstück“ bezeichnet werden. [6] Auch die Ankäufe von Münzen sind nur schwer konkreten Objekten zuzuordnen. [7] Gleiches gilt für Wallrafs Sammlung antiker Kleinfunde, die kaum mit den heutigen Beständen der Kölner Museumsdepots abzugleichen ist. Erhalten geblieben sind aber einige Zeichnungen von römischen Ausgrabungen aus seiner Region, die von ihm selbst erstellt und mit handschriftlichen Kommentaren versehen wurden.
Aus einer umfangreichen Korrespondenz, die Wallraf mit Kaspar Metternich, einem in Prag lebenden, aus Köln stammenden Lehrer der Mathematik und Naturwissenschaften führte, geht Wallrafs frühes Interesse für geologisch-mineralogische Fundstücke hervor. Metternich versorgte Wallraf mit ausführlichen Informationen und Empfehlungen zu verschiedensten Naturalien, [8] er sandte dem „Freund der Wahrheit, und der Aufklärung“ [9] zudem regelmäßig Zusammenstellungen von Mineralien und Fossilien nach Deutschland. Am 14. Juni 1783 vermerkte er beispielsweise, „105 Stück Mineralien nach Frankfurt geschickt« zu haben, darunter „2 seltenste Stücke: Nadelantimonium und antimonium plusom“. [10] Bei anderen Gelegenheiten erfreute er Wallraf mit einem schönen »solitair grand“ oder sandte ihm „1 paar geschliffene Schneckentopase(n)“. [11]
Alles in allem dokumentieren seine frühen Sammlungsobjekte die Herangehensweise eines Universalgelehrten, der sich keineswegs auf ein Themengebiet beschränkte. Wallraf schuf vielmehr eine klassische Lehrsammlung, wie er sie auch in seinem Reformvorschlag aus dem Jahre 1786 für die Kölner Universität idealtypisch umriss und einforderte [12]. In dieser Schrift plädierte er dafür, ein „Museum“ zu gründen, das den „Studenten“ an geräumige Arbeitsorten Lernmaterialien wie Bücher, Globen, Landkarten oder Anschauungsobjekte aus den verschiedensten Fachrichtungen zur Verfügung stellen sollte. [13] In diesem Sinne baute er offenkundig seine eigene Sammlung auf. Auch seine Bibliothek, die später den Grundstock der Kölner Universitäts- und Stadtbibliothek bildete, war umfassend und universal angelegt. [14]
Anmerkungen
[1] Laut Thierhoff ist der Kunsthandel seit 1794 stark angestiegen. Aus diesem Jahr sind die ersten Rechnungen für Gemälde, Bianca Thierhoff: Ferdinand Franz Wallraf – Ein Sammler des „pädagogischen Zeitalters“, in: Hiltrud Kier / Frank Günter Zehnder (Hg.): Lust und Verlust. Kölner Sammler zwischen Trikolore und Preußenadler, Köln 1995, 389-406, 390.
[2] Brief vom 7. November 1773 von dem Arzt J. Schmitz an Ferdinand Franz Wallraf, Historisches Archiv der Stadt Köln (HAStK), Best 1105/18, fol. 14, und Joachim Deeters: Der Nachlass Ferdinand Franz Wallraf, Köln 1987, 198.
[3] Thierhoff, pädagogisches Zeitalter, 390.
[4] Korrespondenz mit J. Schmitz 1773 und 1774, HAStK, Best 1105/18, fol. 14, und Deeters, Nachlass, 198-199.
[5] Deeters, Nachlass, 266f.
[6] HAStK, Best 1105, A 58, fol. 62.
[7] 1791 hat er Münzen aus dem Münzkabinett von Pick und 1792 aus dem von Geyr erstanden, Verzeichnis der Rechnungen, Deeters, Nachlass, 273.
[8] Es sind 27 Briefe und ein Umschlag aus der Zeit von 1782 bis 1788 im Nachlass Wallrafs zu finden, HAStK, Best 1105, A 13, fol. 11-66, und Deeters, Nachlass, 146.
[9] Brief von Metternich an Wallraf vom 4. Mai 1787, HAStK, Best 1105, A 13, fol. 60, Transkription: Elisabeth Schläwe.
[10] Brief von Metternich an Wallraf vom 14. Juni 1783, HAStK, Best 1105, A 13, fol. 15, Transkription: Elisabeth Schläwe.
[11] Brief von Metternich an Wallraf vom 16/17. August 1785, HAStK, Best 1105, A 13, fol. 38, Transkription: Elisabeth Schläwe.
[12] Alexandra Nebelung, Wallrafs Konzept für eine Schulreform von 1786, aus: Gudrun Gersmann, Stefan Grohé (Hg.), Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824) — Eine Spurensuche in Köln (DOI: http://dx.doi.org/10.18716/map/00001), in: mapublishing-lab, 2016,
URL: http://wallraf.mapublishing-lab.uni-koeln.de/wallraf-in-koeln/alte-universitaet/wallrafs-konzept-fuer-eine-schulreform/ (13.5.2019).
[13] Alexandra Nebelung, Die Sammlung des Jesuitenkollegs als Vorbild für Wallraf, aus: Gersmann/ Grohé (Hg.), Spurensuche, URL: http://wallraf.mapublishing-lab.uni-koeln.de/sammeln-um-1800/beispiele-der-koelner-sammlungspraxis/die-sammlung-des-jesuitenkollegs/ (13.5.2019).
[14] Dominique Nadine Walraevens, Marius von Knobelsdorff, Die Bibliothek Wallrafs, aus: Gersmann/ Grohé (Hg.), Spurensuche,URL: http://wallraf.mapublishing-lab.uni-koeln.de/sammeln-um-1800/die-wallrafsche-buechersammlung/die-bibliothek-wallrafs/ (13.5.2019).