Die Eidverweigerung der Universität
Markus Jansen
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„Wie betrübt uns noch immer […] jene Unterdrückung einer der ältesten, ehemals berühmtesten Universitäten Deutschlands [...].“
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Im Oktober 1797 waren das Rheinland und Köln an die junge République française gefallen. Diese forderte nun, vertreten durch ihre zuständigen Kommissare, von allen Angestellten und Staatsdienern den Treueeid auf das neue Mutterland. Die Kölner Universität und ihr Rektor Ferdinand Franz Wallraf verweigerten diesen, als Reaktion darauf wurden die sich widersetzenden Professoren zwei Wochen später ihrer Ämter enthoben. Wallraf sollte der letzte gewählte Rektor der alten Kölner Universität bleiben. Nach einer kurzen Zeit des Fortbestehens alleinig ihrer Medizinischen Fakultät wurde die Universität durch das sogenannte Rudler- oder Floréaldekret im April 1798 aufgehoben.
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Im Zentrum der folgenden Überlegungen steht nun die Frage nach der Bewertung jener Eidverweigerung aus dem Dezember 1797: Ist sie das Abbild einer antifranzösischen, patriotisch-deutschen Haltung des letzten gewählten Rektors oder bewegten Wallraf andere, realpolitische Gründe?
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Einer Aufforderung des französischen Stadtkommissars Johann Rethel (1769-1839) nachkommend, überstellte Wallraf in seiner Funktion als Universitätsrektor diesem am 11. Dezember des Jahres 1797 folgende Erklärung, unterzeichnet von ihm und den Dekanen der Juristischen, Medizinischen und Artistischen Fakultäten:
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„In Betracht, daß 1) die auf heute Nachmittag von Ihnen vorgeladene Glieder der Universität, insoweit unser Verhältnis mit dem städtischen Magistrate bestehend und bekannt ist, sich nicht füglich unter die zum vorhabenden Zwecke qualifizirte Individuen zählen zu können glauben; 2) daß die französische Republik mit Kaiser und Reich sich wirklich verabredet haben oder zu Rastatt sich weiter verabreden werden, unsere künftige Verfassung oder Oberherrschaft zu bestimmen, und ein ruhiger Bürger nur das wollen muß, was die unterhandelnden Mächte über uns einstimmig entscheiden werden; und wir daher 3) durch einen voreiligen Wunsch oder Huldigungseid einer oder anderer dieser Mächte vorgreifen würden; wir endlich 4) der von Pabst, Kaiser und Reich erhaltenen noch selbst von Euch anerkannten und angenommenen Privilegien uns nicht vorgreiflich entübrigen können, finden wir, ohne andere ökonomische Gründe anzuführen, es pflichtwidrig und für uns gefährlich, noch zur Zeit in einen mittelbar oder unmittelbar auf Huldigung zielenden Eid uns einzulassen. Dennoch gelobe und verspreche Endsunterzeichneter, daß, solange die französische Republik diese Länder im Besitze hat, ich, meinen Pflichten als Bürger treu, nichts gegen die öffentliche Ruhe handeln oder zulassen, lehren oder lehren lassen, auch nichts gegen die Rechte der Sieger tun lassen werden, und ich glaube nach den Gesetzen der Vernunft und der Freiheit, welche die französische Republik ehret, befugt zu sein, mich also zu erklären, welches ich in terminis also zu Protokoll zu nehmen ersuche.
Ferd. Wallraf, rector universitatis.
Thomas Dolleschall, jur. doctor, facultatis juridicae p.t. decanus.
R. Cassel, medic. P.t. decanus.
H. J. Winter, facultatis artium p.t. decanus.“
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Besagter Stadtkommissar Rethel vermerkte drei Tage darauf, am 14. Dezember 1797, handschriftlich auf demselben Dokument seinen Kommentar zu der Verweigerung der Kölner Universität:
„Die Achtung, die ich für gelehrte Institute habe, verbietet mir, diesen Wisch, der den ehrenvollen Namen Universität besudelt, der Annahme zu würdigen. Er könnte leicht in andere Hände geraten und als Aktenstück, den Ruhm Wielands-Abdera zu verdunkeln, gebraucht werden, welches ich zu Ehre Kölns nicht wünsche. Der Magistrat mag solchen behalten oder seinem Verfasser wieder zurückgeben, und demselben in diesem Fall wo nicht Philologie doch wenigstens gesunden Menschenverstand und Rechtschreibekunst in seiner zu machenden hochgelehrten Erklärung anempfehlen. Köln, den 24. Frimaire VI (Dez. 14), Rethel.“
Ob ein ähnlich lautender Kommentar oder Brief Wallraf und die unterzeichnenden Dekane erreichte, ist nicht überliefert, darf aber als wahrscheinlich gelten.
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Wallraf selbst bezeichnete das Agieren der Stadt Köln unter französischer Besetzung – und damit schlussendlich auch sein eigenes – später bereitwillig als „unerschütterliche deutsche Treue“
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Dabei sind die Gründe, die Wallraf zur Weigerung führten, durchaus triftig. Er erachtete die in Folge des Friedensschlusses von Campo Formio zu Rastatt tagenden Mächte, „die französische Republik, Kaiser und Reich"
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„Indem der Eid, welchen man dermalen von uns fordert, wie wir vollkommen überzeugt sind, nicht als ein Amts-, Ruhe- und Sicherheitseid, sondern als ein wahrer Huldigungseid betrachtet und geleistet werden soll, ein solcher Eid aber bei wirklich eingeleitetem Kongresse zu Rastatt offenbar den Rechten S. Kais. M. und aller Stände des Deutschen Reichs vorgreiflich ist, mithin auch ebenso offenbar wider die Gesinnungen der französischen Nation als einer mitpaciszirenden Macht sein muß, so erklären wir, daß wir vor Beendigung des gesagten Kongresses und ehe das Schicksal dieser Länder von gehöriger Stelle entschieden sein wird, solchen Eid ohne Verletzung unserer Gewissen und aller Rechte nicht leisten können noch jemals werden.“
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Noch deutlicher als in der Erklärung der drei anderen Fakultäten tritt hier der Wunsch zutage, erst die Rastatter Verhandlungen abzuwarten. Auch war die Weigerung an sich weder ein Phänomen der Universität noch Kölns allein. Mitglieder von Rat und Bürgerschaft erschienen nicht zur Eidleistung und auch in Andernach, Bonn oder Trier verweigerten so manche Beamte und Bürger den Eid.
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Gerade ein gutes Jahr war vergangen, als Wallraf im Rahmen der Jahresfeier der Hinrichtung Ludwigs XVI. (1754-1793) den Eid auf die Republik nachholte. Am 21. Januar 1799 schwor er schriftlich, da ihn nach eigener Aussage eine Krankheit vom öffentlichen Schwur abgehalten hatte, nicht nur Loyalität der Republik, sondern auch Hass dem Königtum:
„Liberté, égalité. Je jure haine à la roiauté et à l’anarchie, zèle et attachement à la République française et la Constitution de l’an III. Une maladie m’empêche de paraître en public. Cologne le 2. Pluviose l’an VII. Wallraf, professeur.“
Diese Eidesformulierung ging in ihrer Schärfe über die 1797 geforderte Treueformel hinaus. Der Rastatter Kongress, Hauptmomentum der ursprünglichen Weigerungen, tagte auch im Januar 1799 weiterhin ergebnisoffen. Wallraf selbst war indes als Professor an die neue Zentralschule berufen worden; da er nun ein französischer Staatsbeamter war, mochte eine weitere Verweigerung des Eides nunmehr untragbar sein. Zudem handelte er nun nicht mehr als verantwortlicher Rektor im Sinne der Sache der Kölner Universität.
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So lässt sich die Eidverweigerung vom 11. Dezember 1797 vorrangig auf Beweggründe zurückführen, die der realen politischen Lage geschuldet waren. Gestützt wird dies durch die von Wallraf selbst vorgebrachte Argumentation, seine unwesentlich später doch erfolgte Eidleistung und die Vergleiche zu ähnlichen Konfliktlagen in anderen betroffenen Städten. Auch sein Agieren unter französischer Herrschaft und besonders sein Verhältnis zu Napoleon stützen diese Sichtweise.
Anmerkungen
Empfohlene Zitierweise
Markus Jansen, Die Eidverweigerung der Universität, aus: Gudrun Gersmann, Stefan Grohé (Hg.), Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824) — Eine Spurensuche in Köln (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00001), in: mapublishing, 2016, Seitentitel: Die Eidverweigerung der Universität (Datum des letzten Besuchs).