Die Feierlichkeiten zum Besuch Napoleons

Lisa Kröger

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Nachdem Napoleon Bonaparte am 18. Mai 1804 zum französischen Kaiser proklamiert wurde, unternahm er im Spätsommer des Jahres eine Reise in die französischen Departments des Rheinlands. Auch die Stadt Köln gehörte seit 1794 zu Frankreich, im September 1804 besuchte der Kaiser die Domstadt. Der Maire (Bürgermeister) Kölns, Johann Jakob von Wittgenstein (1754-1823), wurde knapp zwei Wochen vorher über den bevorstehenden Besuch informiert. [1] Sogleich veranlasste er die Vorbereitung für einen feierlichen Empfang, dem kaiserlichen Zeremoniell entsprechend. [2] Mit großem Aufwand wurde die Stadt für den Besuch des Kaisers vorbereitet. Dabei wollten insbesondere die städtische Verwaltung und die Führungsschicht einen guten Eindruck erwecken und dem schlechten Ruf der Rheinländer entgegenwirken. So wurden Straßen und öffentliche Plätze gereinigt, die Bürger der Stadt zu maßvollem Verhalten aufgefordert, [3] das Hotel ‚Blankenheimer Hof‘ am Neumarkt als kaiserliche Residenz eingerichtet und die öffentlichen Gebäude der Stadt aufwendig dekoriert.

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Am 13. September 1804 schließlich traf Napoleon in Köln ein und wurde vor dem Eigelsteintor im Norden der Stadt durch von Wittgenstein und weitere städtische Beamte empfangen. Unter Glockengeläut und Kanonenschüssen zogen Napoleon und seine Frau Joséphine de Beauharnais (1763-1814), gefolgt von einem großen Tross, in die Stadt ein und passierten einen eigens errichteten Triumphbogen sowie eine Ehrengarde aus 38 vornehmen Kölner Bürgern. [4] So aufwendig gestaltet und detailliert geplant der Empfang des Kaiserpaares auch war, so wurden doch auch vereinzelte Hinweise auf eine eher abweisende Haltung der Kölner Bürgerschaft deutlich. Es seien beispielsweise eigens engagierte Jubelrufer nötig gewesen, die „Vive l’Empereur“ riefen, um die Stimmung während des kaiserlichen Einzuges anzuheizen. [5]

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Während seines Aufenthaltes in Köln gab sich Napoleon als besorgter Landesvater und einfacher Besucher, interessiert an den Sehenswürdigkeiten der Stadt. [6] Die Führung berühmter Gäste durch die Stadt oblag in der Regel Ferdinand Franz Wallraf, sodass er auch dem Kaiserpaar die Domstadt zeigte. In einem späteren Brief Wallrafs an die Kaiserin Joséphine bezog er sich explizit auf ihren Besuch in Köln und seine Stadtführung. [7] Napoleon schien sich indes insbesondere für den Kölner Handel zu interessieren und besuchte unter anderem den Hafen. [8] Am 17. September 1804 verließ das Kaiserpaar die Stadt und reiste weiter nach Bonn. Der Besuch scheint für alle Seiten ein Erfolg gewesen zu sein: Napoleon verkündete wohl bei seinem Abschied „Cologne, contentement“, Maire von Wittgenstein listete kurz darauf die Gnadenbeweise Napoleons für Köln auf. [9]

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Im Zuge der Vorbereitungen für den Besuch wurde Ferdinand Franz Wallraf mit der ‚Illumination‘ der Stadt beauftragt. Wallraf machte sich mit großem Aufwand an die Dekoration, deren Wichtigkeit er erkannt hatte, was nicht zuletzt seine Unterstützung suchende Korrespondenz mit Friedrich Schlegel (1772-1829) bezüglich der anzufertigenden Inschriften belegt. [10] Wallraf dekorierte wichtige und gut sichtbare öffentliche Gebäude und Tore in der Stadt, wie etwa das Rathaus und die Zentralschule, [11] mit Inschriften und Denksprüchen in lateinischer Sprache. Die längsten Texte verfasste er jedoch für die Dekoration des Kölner Hafens, diese wurden eigens von den Kölner Kaufleuten bezahlt. [12] Die Inschriften verfasste Wallraf in dem für ihn typischen ‚Lapidarstil‘, für den er bereits früher ausdrücklich gelobt worden war, [13] und den auch Napoleon sehr geschätzt haben soll. [14]

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Inhaltlich folgen sie der für Wallraf typischen Argumentation, um die Größe Kölns hervorzuheben: [15] Die bedeutende Geschichte der Stadt beginnt mit ihrer Gründung in römischer Zeit. Große Namen wie Julius Caesar, Augustus und Konstantin der Große sollen ebenso auf die Zugehörigkeit zum Imperium Romanum wie auf die Bedeutung der „Stadt der Agrippinenser“ unter römischer Herrschaft hinweisen. Abgelöst wurde diese von den „siegreichen Franken“, deren Wiege in Köln läge. Für die fränkische Zeit werden wiederrum bedeutende Persönlichkeiten wie Chlodwig I. und Karl der Große herangeführt. Dass Köln sowohl Teil des römischen als auch des fränkischen Reiches war, soll die Verbindung und die Zusammengehörigkeit Kölns mit Frankeich betonen, eine Absicht, die in vielen öffentlichen Arbeiten Wallrafs zu finden ist. Auf die propagierte Blüte der Stadt in zwei vergangenen Großreichen sollte eine dritte im neuen französischen Kaiserreich folgen. Lücken in der historischen Überlieferung wurden hierbei von Wallraf, dem besten Kenner der Kölner Stadtgeschichte, frei aufgefüllt, um eine fortschreitende Kontinuität der Bedeutung Kölns zu präsentieren. [16]

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Das beherrschende Thema der Inschriften Wallrafs ist jedoch die Stellung Kölns als „Fürstin der Handelsstädte“. Die Wiege des Kölner Handels läge demnach bereits in römischer Zeit, und durch die Jahrhunderte hinweg sei dieser eine blühende Konstante geblieben. Ebenso wird die Bedeutung des Kölner Hafens an zahlreichen Stellen betont. Die starke Fokussierung auf den Handel und die dafür notwendige Infrastruktur verwundert nicht, waren es doch unter anderem die Kaufleute, die die Dekorationen in Auftrag gaben. [17] Mehrere der Inschriften waren am Kölner Hafen angebracht, den Napoleon am Abend des 14. Septembers besuchte, und der dafür eigens beleuchtet wurde. [18] Ein großes Feuerwerk schloss die von den Kaufleuten inszenierten Feierlichkeiten ab, die mit der Hoffnung auf Unterstützung durch den neuen Herrscher verbunden waren. So erklärt sich auch, dass die dahingehenden Bitten des Kölner Handels einen großen Teil der Inschriften ausmachen: Auf die drastische Schilderung der „im jüngsten Völkerzwiste erlittenen Zerrüttungen“ der ehemals großen Handelsstadt folgen die Bitte um „Hilfsquellen und Vortheile“ und um „Begünstigungen der Anstalten für Gewerb“. Daneben wird aber auch der Wunsch nach Förderung von „Wissenschaft, Sitten und Kunst“ sowie nach „geistregende[n] Verschönerungen“ lautbar. Die Inschriften richten sich direkt an Napoleon, der meist unmittelbar angesprochen wird. Bitten und Wünsche an ihn werden deutlich formuliert. Hierbei wird der neue französische Kaiser als „Held“ sowie als „Staaten- und Epochen-Schöpfer Napoleon“ gefeiert und in eine Reihe mit den bedeutenden Eroberern und Kaisern der Geschichte gestellt, die dieser sogar noch übertreffe.

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Die Inschriften, die anlässlich des Besuchs des Kaiserpaares in der Stadt geschaffen wurden, fanden breite Veröffentlichung. Neun Exemplare der gedruckten Inschriften in Latein mit französischer Übersetzung wurden an den napoleonischen Hof geschickt. [19] Außerdem wurden sie gleich dreimal von Kölner Verlegern publiziert, zweimal mit deutscher, einmal mit französischer Übersetzung. [20] Wallraf selbst legte dar, dass er die Inschriften „auf Verlangen des Publikums in eigenen Uebersetzungen mit unterrichtenden Anmerkungen“ [21] herausgebe. So finden sich denn auch in der gedruckten Fassung einige Verweise in Form von Fußnoten, beispielsweise auf Caesars ‚Gallischen Krieg‘, welche die akribische Arbeit belegen, die Wallraf in das Projekt steckte. Die Publikation der Inschriften ist außerdem um eine Vielzahl kleinerer Inschriften und privater Widmungen ergänzt, die an verschiedenen Orten in Köln angebracht waren. [22] Die Sammlung belegt die umfassende Dekoration der Stadt anlässlich des Kaiserbesuches und das Bestreben, sich mit dem neuen Machthaber gut zu stellen, auf den man große Hoffnungen setzte. Eine persönliche Widmung Wallrafs war in seinem Haus unter einem Gemälde, das Herkules auf einer Weltkugel zeigt, zu lesen: „Sic orbi sufficit Unus“ „So einer ist für die Welt hinreichend“. [23] Auch Wallraf zeigt sich also als persönlicher Unterstützer Napoleons, auf den er seine Hoffnungen als neuen Herkules und Friedensbringer legte. [24] Dies führt zu der Frage, ob es sich bei Wallrafs offener Verehrung für Napoleon um politisches Kalkül oder um wahre Bewunderung des französischen Eroberers handelte. Einerseits pflegte Wallraf während der französischen Besatzung des Rheinlands ein relativ gutes Verhältnis zu den neuen Machthabern, die ihn als Kölner Instanz schätzten und sich seine Fähigkeiten beizeiten zu Nutzen machten. Andererseits bezeichnete er die französische Herrschaft nach deren Abzug als „verhaßtern [!] französische Administrationen“. [25] Dies zeigt wohl, dass er sich eher notgedrungen den bestehenden politischen Verhältnisse fügte und versuchte, das Beste für seine Vaterstadt zu erreichen, da er erkannt hatte, dass „der Wille Napoleon’s der Schwerpunkt der europäischen Geschichte geworden war“. [26]

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Für die Illumination der Stadt erhielt Wallraf vom Bürgermeisteramt 80 französische Kronen als Bezahlung, ein weiteres Honorar bekam er von den Kölner Kaufleuten. [27] Bei der prekären finanziellen Situation Wallrafs dürfte er öffentliche Auftragsarbeiten wie diese als zusätzliche Einkommensquelle sicher geschätzt haben. Seine Arbeiten zur Dekoration der Stadt fielen zur allgemeinen Zufriedenheit aus, dies zeigt nicht nur die breite Veröffentlichung der Inschriften. Zudem folgten weitere Aufträge dieser Art, beispielsweise in Düsseldorf anlässlich des Besuches Herzogs Wilhelm von Bayern (1752-1837). [28] Seine Vaterstadt Köln illuminierte Wallraf zuletzt im Jahr 1817, als der preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) die Stadt besuchte. Erneut wurde die Stadt mit großem Aufwand dekoriert, wieder gab es eine große Zahl von Inschriften an öffentlichen Gebäuden und im Hafen und noch einmal begleitete Wallraf den hohen Besuch zu den Sehenswürdigkeiten.

Anmerkungen

[1] Vgl. Klaus Müller: Köln von der französischen zur preußischen Herrschaft. 1794–1815, Köln 2005, 67.

[2] Vgl. Müller: Köln (wie Anm. 1), 69.

[3] Vgl. Müller: Köln (wie Anm. 1), 69.

[4] Vgl. Müller: Köln (wie Anm. 1), 69–71.

[5] Vgl. Müller: Köln (wie Anm. 1), 71.

[6] Vgl. Müller: Köln (wie Anm. 1), 73.

[7] Vgl. Joachim Deeters: Der Nachlass Ferdinand Franz Wallraf (Best. 1105), Köln 1987, 101.

[8] Vgl. Johannes Kramer: Straßennamen in Köln zur Franzosenzeit (1794–1814), Gerbrunn bei Würzburg 1984, 73.

[9] Vgl. Kramer: Straßennamen (wie Anm. 8), 73f.. Auch Ennen listet die Wohltaten Napoleons für Köln auf: Leonard Ennen: Zeitbilder aus der neueren Geschichte der Stadt Köln, mit besonderer Rücksicht auf Ferdinand Franz Wallraf, Köln 1857, 223. (Digitalisat Ennen: Zeitbilder)

[10] Vgl. Joachim Deeters: Ferdinand Franz Wallraf. Ausstellung des Historischen Archivs der Stadt Köln vom 5. Dezember 1974 bis 31. Januar 1975, Köln 1974, 64.

[11] Vgl. Ennen: Zeitbilder (wie Anm. 9), 221.

[12] Vgl. Joachim Deeters: Napoleon I. besucht Köln. Ferdinand Franz Wallrafs Inschriften zu Ehren des Kaisers, 1804, in: Jürgen Herres / Georg Mölich / Stefan Wunsch (Hg.): Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, Band 3: Das 19. Jahrhundert (1794–1914), Köln 2010, 37–41, hier: 38.

[13] Vgl. Ennen: Zeitbilder (wie Anm. 9), 221.

[14] Vgl. Müller: Köln (wie Anm. 1), 71.

[15] Vgl. im Folgenden Beispiele aus den Inschriften am Freihafen in: Ferdinand Franz Wallraf: Abdruck und freie Übersetzung der lateinischen Inschriften, welche beym freudenvollen Empfange Ihrer Kaiserlichen Majestäten Napoleon und Josephine in der, von der Kaufmannschaft in Köln veranstalteten feyerlichen Beleuchtung des Rheinhafens, den Thurm im Mittelpunkte desselben umgaben, Köln 1804. Abgedruckt zuletzt auch in: Deeters: Napoleon (wie Anm. 12).

[16] Vgl. Deeters: Napoleon (wie Anm. 12), 38.

[17] Vgl. Deeters: Napoleon (wie Anm. 12), 38.

[18] Vgl. Müller: Köln (wie Anm. 1), 73.

[19] Vgl. Deeters: Napoleon (wie Anm. 12), 38.

[20] Vgl. Deeters: Napoleon (wie Anm. 12), 41f.

[21] Wallraf: Abdruck (wie Anm. 15), o. S.

[22] Vgl. Ferdinand Franz Wallraf: Sammlung der Inschriften, welche bei den Beleuchtungen der Stadt Köln am Tage der Ankunft Sr. Majestät des Kaisers Napoleon und Sr. Maj. der Kaiserin Josephine angebracht waren, Köln 1804.

[23] Wallraf: Inschriften (wie Anm. 22), o. S.

[24] Vgl. Deeters: Wallraf (wie Anm. 10), 65.

[25] Müller: Köln (wie Anm. 1), 97. [Ferdinand Franz Wallraf]: Abschied an das wegziehende Personal der verhaßtern französischen Administrationen samt gutmüthiger Sehnsucht eines ehrlichen Bürgers zur Rückkunft unserer alten Verfassung in Köln, Köln 1814. (Digitalisat Wallraf: Abschied)

[26] Ennen: Zeitbilder (wie Anm. 9), 222.

[27] Vgl. Deeters: Wallraf (wie Anm. 10), 64.

[28] Vgl. Deeters: Wallraf (wie Anm. 10), 65.

Empfohlene Zitierweise
Lisa Kröger, Die Feierlichkeiten zum Besuch Napoleons, aus: Gudrun Gersmann, Stefan Grohé (Hg.), Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824) — Eine Spurensuche in Köln (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00001), in: mapublishing, 2016, Seitentitel: Die Feierlichkeiten zum Besuch Napoleons (Datum des letzten Besuchs).