Grootes Beziehung zu Wallraf

Vanessa Skowronek

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Eberhard von Groote (1789-1864) und Ferdinand Franz Wallraf trafen 1807 erstmals aufeinander. Groote besuchte ab diesem Zeitpunkt die Sekundarschule, in der Wallraf als Lehrer die ‚Schönen Künste‘ unterrichtete. Der über vierzig Jahre ältere Wallraf wurde ihm zum väterlichen Freund“. [1] Die beiden standen in regem Kontakt, Wallraf besuchte Groote regelmäßig; er nahm am Familienleben der Grootes teil, kam zum Essen und war bei Feierlichkeiten anwesend. Auch mit Eberhards Bruder Joseph von Groote (1791-1866) war Wallraf gut bekannt. [2] Die Freundschaft war durch gegenseitige Wertschätzung geprägt, auch wenn Groote, den Einträgen in seinem Tagebuch zufolge, den anderen als eitel und deshalb den Umgang mit ihm teilweise als Last empfand. [3]

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Wallraf und Groote gehörten zur Kölner Öffentlichkeit. Sie verkehrten unter anderem in der „Olympischen Gesellschaft“, deren Gründer Wallraf war. Dort sprach man über politisches Geschehen oder tauschte kulturelle Belange aus und sah sich im patriotischen Interesse für Köln geeint. Insbesondere Künstler und Gelehrte gehörten zu den Mitgliedern. Ebenso wie Groote verkehrte auch Wallraf mit den Brüdern Boisserée, die zu einem Netzwerk von Intellektuellen gehörten, zu denen sie ihren Teil beitrugen, und von deren Bekanntschaften sie gleichzeitig profitierten.

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Als begeisterter Anhänger einer aufkommenden nationalen Bewegung in Deutschland und als Spross einer Patrizierfamilie äußerte sich Groote stets abfällig über die Franzosen. Während seiner Zeit als preußischer Freiwilliger in Paris [4] beschrieb er die Franzosen zum Beispiel als „verschmitzte Teufelszucht [5] und zögerte also nicht, seine Meinung den Franzosen gegenüber zu äußern. [6] Bei Napoleons Besuch in Köln 1811 entzog er sich dem Aufruf, sich an der Ehrengarde zu beteiligen. [7]

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Auch Wallraf wird schwerlich als Freund der Franzosen gelten können, immerhin verweigerte er als Rektor der alten Universität zunächst die Eidesleistung. In seiner vor Patriotismus strotzenden Denkschrift über die Verluste während der Franzosenzeit aus dem Jahre 1815 rühmte er die Preußen als Befreier. [8] Ganz anders hatte dies allerdings noch 1795 geklungen, als er die Franzosen pathetisch als „edle Gesetzgeber einer gerechten, biedern großmüthigen Nation“ begrüßt hatte, die gekommen seien, „das Glück der Völker zu stiften.“ [9] Diese Äußerungen müssen freilich im historischen Kontext betrachtet werden, da Wallraf beauftragt worden war, ein Schreiben gegen die enormen Kontributionszahlungen an die Nationalversammlung zu richten. Er hoffte offenbar, durch die schmeichelnden Worte und den Appell an Gerechtigkeit für seine Vaterstadt Erleichterung zu erreichen. [10] Dieselbe Argumentation kann auch für die Denkschrift an die Preußen geltend gemacht werden. Wallraf appellierte auch hier an den Gerechtigkeitssinn seiner Leser mit dem Hintergedanken, durch Anpreisungen und Belobigung die Rückerstattung der Kunstgemälde für Köln zu erlangen.

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Anders als sein junger Freund Groote, der von ideellen Gedanken getrieben war und für seine Überzeugungen kämpferisch eintrat, schien Wallraf sich nicht nach persönlichen Idealen, sondern stets nach der aktuellen Situation gerichtet zu haben, immer mit dem Blick auf das, was er als das Beste für Köln betrachtete.

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Das gemeinsame lokalpatriotische Engagement prägte die Freundschaft der beiden Männer. Beide verpflichteten sich zum Wohle der Heimatstadt über die Maßen, was besonders für die Jahre 1814 bis 1818 zu konstatieren ist. In diesen ereignisreichen Zeitraum fielen zum einen die Reklamationsversuche und Rückführungen der Kunstgüter aus Paris sowie der Konkurrenzkampf der Städte Köln um Bonn um die Errichtung einer Universität. So geeint die beiden Freunde in der Sache auch waren, kam es doch zu Unstimmigkeiten, was das konkrete Handeln anbelangte.

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Groote kämpfte bis zuletzt leidenschaftlich für die Wieder-Errichtung der Kölner Universität. [11] Als er erfuhr, dass wohl Bonn die Universität erhalten solle, schrieb er vorwurfsvoll an Wallraf „es ist alles umsonst, lieber Freund, und wir haben durch unsere Flatterhaftigkeit und Nachlässigkeit den Preis verscherzt, den Andere in reger, frischer, und unermüdeter Thätigkeit erworben.[12] Was neben der Enttäuschung deutlich zum Ausdruck kommt, ist der Ärger Grootes über die verpasste Chance, welche er auf ein zu langsames Handeln zurückführt. Sich selbst nimmt er von diesem Vorwurf ausdrücklich aus. Er habe alles getan, was man von ihm habe fordern können. Sein Drängen auf effektives Handeln sei bei Wallraf ohne Reaktion verblieben: Er tadelte Wallraf nachdrücklich, da dessen Denkschrift über die Universität noch immer nicht fertig gestellt war.

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Ganz ähnlich verlief es bei der Rückführung der Kunstgegenstände. Wallraf, so Groote, habe sich so oft über die geraubten Kunstschätze beklagt, nun sei die Gelegenheit zur Rückerstattung gekommen. [13] Wallraf war beauftragt, ein Verzeichnis zu erarbeiten, das für die preußische Kommission in Paris gedacht war. Das Entschädigungsgeschäft war allerdings abgeschlossen, noch bevor Wallraf die akribisch erarbeitete Denkschrift fertig gestellt hatte. [14] Die Kritik an der Arbeitsweise Wallrafs bringt Grootes Bruder Joseph mit der Frage „Mein lieber Herr Professor, kann und soll denn niemahl etwas zur rechten Zeit fertig werden?[15] auf den Punkt. Gleichzeitig, so beschwert sich Eberhard von Groote, sei Wallraf nicht einmal zufrieden, wenn das halbe Museum herübergeschickt werden würde. [16] Grootes Kritik an Wallraf bezog sich daher besonders auf den diametralen Gegensatz zwischen seinen Forderungen einerseits und seinem langsamen Handeln andererseits.

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Die Bemühungen um die Kunst für ihre Vaterstadt einten die Freunde, wenngleich sie diese auf verschiedene Weise umsetzten. Wallraf verfügte über eine erstaunlich große Kunstsammlung, die er zeitlebens zu erweitern suchte und letztlich der Stadt Köln vermachte. Groote war sehr an der Sammlung seines Freundes gelegen und versuchte sie öffentlichkeitswirksam für das Ansehen der Stadt zu nutzen. Für den Besuch des Königs und Kronprinzen 1817 wurde sie als Kunstausstellung präsentiert. Groote nahm sich dafür mit Hilfe Matthias Joseph De Noëls (1782-1849) der Katalogisierung und Ordnung der völlig chaotischen und unsortierten Artefakte an. Grootes Vorschlag, Wallrafs Sammlung könne den Grundstock für ein Rheinisches Museum bilden, wurde nicht umgesetzt. Auch die Sammlung der Brüder Boisserée versuchte Groote für Köln zu gewinnen, doch auch hier blieb der Versuch erfolglos.

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Mit Wallrafs Tod im Jahr 1824 endete ihre Freundschaft – eine Verbindung gibt es aber noch heute: Beide, Groote und Wallraf, sind als Relief auf dem Reiterdenkmal für König Friedrich Wilhelm III. von Preußen auf dem Heumarkt abgebildet.

Anmerkungen

[1] Die Titulierung Wallrafs als Grootes „väterlicher Freund“ findet sich in der Literatur durchgehend, vgl. beispielsweise Willi Spiertz: Eberhard von Groote. Leben und Werk eines Kölner Sozialpolitikers und Literaturwissenschaftlers (1789-1864), Köln / Weimar / Wien 2007, 313 sowie Adolf Giesen: Eberhard von Groote. Ein Beitrag zur Geschichte der Romantik am Rhein, Gladbach-Rheydt 1929, 67.

[2] Zur Beziehung der beiden zueinander vgl. Spiertz: Eberhard von Groote (wie Anm. 1), 311-314.

[3] Spiertz: Eberhard von Groote (wie Anm. 1), 314.

[4] Das Urteil über Paris fällt ebenso schlecht aus, wie das über die Franzosen, so berichtet er von „dem alten Hurenloche Paris“, das zudem ein „wahres Heidenloch“ sei; Eberhard von Groote an Joseph von Groote, Paris, 9. Juli 1815. In: Archiv der Herren von Groote, Familienkorrespondenz, 1.1., Nr. 12. (Transkription: Elisabeth Schläwe)

[5] Eberhard von Groote an Joseph von Groote, Paris, 12. Juli 1815. In: Archiv der Herren von Groote, Familienkorrespondenz, 1.1., Nr. 13. (Transkription Elisabeth Schläwe)

[6] Eberhard von Groote an Joseph von Groote, Paris,17. August 1815. In: Archiv der Herren von Groote, Familienkorrespondenz, 1.1., Nr. 21. (Transkription Elisabeth Schläwe)

[7] Vgl. Giesen: Eberhard von Groote (wie Anm. 1), 56.

[8] Vgl. Ferdinand Franz Wallraf: Denkschrift über die Verluste, welche die freie Reichsstadt Köln durch die Franzosen erlitten, in: Johann Heinrich Richartz (Hg.): Ausgewählte Schriften von Ferdinand Wallraf. Festgabe zur Einweihungsfeier des Museums Wallraf-Richartz, Köln 1861, 187-223, hier: 188. (Digitalisat Richartz: Ausgewählte Schriften)

[9] Vgl. Leonard Ennen: Zeitbilder aus der neueren Geschichte der Stadt Köln, mit besonderer Rücksicht auf Ferdinand Franz Wallraf, Köln 1857, 186. (Digitalisat Ennen: Zeitbilder)

[10] So auch Ennens Argumentation, der die Worte Wallrafs so zu relativieren versucht, vgl. Ennen: Zeitbilder (wie Anm. 9), 183.

[11] Zu Grootes Einsatz für die Universität siehe Spiertz:, Eberhard von Groote (wie Anm. 1), 81-100.

[12] Eberhard von Groote an Ferdinand Franz Wallraf, Paris, 7. November 1815, in: Leonhard Ennen: Zeitbilder aus der neueren Geschichte der Stadt Köln mit besonderer Rücksicht auf Ferdinand Franz Wallraf, Köln 1857, 254-256, hier: 254.

[13] Eberhard von Groote an Joseph von Groote, Paris, 19. Juli 1815. In: Archiv der Herren von Groote, Familienkorrespondenz, 1.1., Nr. 16. (Transkription Elisabeth Schläwe)

[14] Vgl. Wallraf: Denkschrift (wie Anm. 8).

[15] Joseph von Groote an Ferdinand Franz Wallraf, Köln, 21. November 1815. In: HAStK, Best. 1105 (Ferdinand Franz Wallraf), A7/197. Giesen geht fälschlicherweise davon aus, dass Eberhard und nicht Joseph der Absender war, siehe: Giesen: Eberhard von Groote (wie Anm. 1), 62.

[16] Eberhard von Groote an Joseph von Groote, Paris, 17. August 1815. In: Archiv der Herren von Groote, Familienkorrespondenz, 1.1., Nr. 21. (Transkription Elisabeth Schläwe)

Empfohlene Zitierweise
Vanessa Skowronek, Grootes Beziehung zu Wallraf, aus: Gudrun Gersmann, Stefan Grohé (Hg.), Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824) — Eine Spurensuche in Köln (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00001), in: mapublishing, 2017, Seitentitel: Grootes Beziehung zu Wallraf (Datum des letzten Besuchs).