Die Entstehung der Universitäts- und Stadtbibliothek

Dominique Nadine Walraevens

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Die heutige, 1920 gegründete, Universitäts- und Stadtbibliothek Köln geht auf einige Vorgänger-Institutionen zurück, die im Folgenden genauer beleuchtet werden sollen. Die alte Universität zu Köln besaß keine Universitätsbibliothek. Zwar hatte die Artistenfakultät eine Bibliothek vorzuweisen, die die Funktion einer allgemeinen Universitätsbibliothek ersetzte, diese wurde aber schon 1578 aufgelöst und auf die drei Kölner Gymnasien verteilt. [1]

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1602 wurde durch den Rat der Stadt Köln die Ratsbibliothek bzw. Syndikatsbibliothek gegründet. Diese enthielt bis ins 17. Jahrhundert hauptsächlich juristische Werke. Im 18. Jahrhundert wurden diese dann durch Literatur zu Staatsrecht und Geschichte ergänzt. In den Jahren der französischen Besatzung ab 1794 wurden jedoch so gut wie keine weiteren Bücher mehr erworben. [2] Die Veränderungen und Umstrukturierungen in der französischen Zeit betrafen auch das Bildungswesen: Die Universität wurde in eine École Centrale umgestaltet, in die auch die drei Gymnasien der Stadt eingegliedert wurden. [3] Zur Zentralschule „gehörte […] eine öffentliche Bibliothek“ [4], die sowohl von Schülern und Lehrern als auch vom Rest der Bevölkerung benutzt werden konnte. Ihr Bestand setzte sich aus den Bibliotheken der drei Gymnasien zusammen. [5]

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Mit dem Ende der französischen Herrschaft entwickelte sich aus der Bibliothek der Zentralschule die sogenannte „Gymnasialbibliothek“. Sie wurde nach dem Gymnasium benannt, das an die Stelle der französischen Sekundärschulen getreten war. [6] 1823 wurde beschlossen, „dass alle Kölner Bürger, die wissenschaftliche oder künstlerische Zwecke verfolgten, Zutritt zu den Beständen haben sollten.“ [7]

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Nach dem Tode Ferdinand Franz Wallrafs 1824 gingen seine Sammlungen an die Stadt Köln. Dies hatte er selbst bereits 1818 in seinem Testament verfügt. [8] Zu Wallrafs umfangreichen Sammlungen gehörte unter anderem eine Bibliothek „mit über 500 Handschriften und mehr als 14.000 Drucken“ [9]. Diese wurde zunächst im Hansasaal des Rathauses untergebracht, bevor sie 1859 mit dem Bestand der Ratsbibliothek vereinigt wurde. 1877 zog die komplette Bibliothek in einen Neubau. [10]

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Köln hatte diverse Bibliotheken mit verschiedenen Sammlungen, wie Wallrafs Büchersammlung, vorzuweisen: Dazu zählten die bereits erwähnte Ratsbibliothek, die im 19. Jahrhundert als Stadtbibliothek fungierte, die Gymnasialbibliothek und innerhalb dieser diverse weitere Sammlungen. [11] Bereits seit 1861 gab es innerhalb der Stadt Bestrebungen, die Bibliotheken zusammenzuschließen. [12] Rund zwanzig Jahre später wurden schließlich „beide Büchersammlungen unter einem Dach“ vereinigt. [13]

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Die neu entstandene Stadtbibliothek enthielt verschiedene Nachlässe. Neben der Bibliothek Ferdinand Franz Wallrafs beherbergte sie den Nachlass Sulpiz Boisserée, den Nachlass Eberhard von Groote, die Bibliothek von Jakob Ignaz Hittorff, die Bibliothek von Gustav von Mevissen und die Bibliothek von Johannes Fastenrath. [14] Zudem beinhaltete sie neben Büchern aus der Region auch Unterhaltungsliteratur und „hatte […] bald die Stellung einer zentralen Bibliothek der Rheinprovinz inne.“ [15]

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Da die Zahl der Bücher sehr stark angewachsen war, wurde zum Ende des 19. Jahrhunderts der Entschluss zur Planung eines größeren Gebäudes gefasst. Zwischen 1894 und 1897 entstand am Gereonskloster der Neubau, der so großzügig angelegt war, dass auch der Bestand des Stadtarchivs darin Platz fand. [16] Mit der Gründung der „Städtischen Handels-Hochschule“ am Hansaring im Jahr 1901 entstand eine weitere Bibliothek. Bis 1920 wurde die Bibliothek der Handelshochschule eine der bedeutendsten wirtschaftlichen Fachbibliotheken. [17] Drei Jahre später entstand eine Hochschule für Praktische Medizin, die im Lauf der Zeit ebenfalls eine eigene „Akademiebibliothek“ erhielt. [18]

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Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts waren die drei Bibliotheken (Stadtbibliothek, Bibliothek der Handelshochschule und Bibliothek der Akademie für Praktische Medizin) in Qualität und Umfang ihrer Bestände so weit vorangeschritten, dass sie „neben vergleichbaren Einrichtungen im Deutschen Reich durchaus bestehen“ konnten. [19] Sie lieferten ab 1919 die Bücher, die die Universität für die Lehre benötigte. Die Universität zu Köln war im Juni 1919 durch die Bestrebungen des Oberbürgermeisters Konrad Adenauer und des Rektors der Handelshochschule Christian Eckert wiedergegründet worden. [20]

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Im Jahr 1920 wurden die Bibliotheken miteinander vereinigt und ließen die Universitäts- und Stadtbibliothek entstehen. [21] Diese gliederte sich in drei Abteilungen: Die Bibliothek der Philosophischen Fakultät, die Bibliothek der Wirtschafts-, Sozial- und Rechtswissenschaftlichen Fakultät sowie die Bibliothek der Medizinischen Fakultät. [22] Eine Kooperation der Abteilungen gestaltete sich jedoch schwierig, da sie sich zunächst in unterschiedlichen Stadtteilen befanden. Dieser Zustand änderte sich erst als 1934 das Hauptgebäude der Universität im Stadtteil Lindenthal bezogen werden konnte. [23]

 

Anmerkungen

[1] Hermann Keussen: Die alte Kölner Universitätsbibliothek, in: Jahrbuch des kölnischen Geschichtsvereins 11 (1929), 138-190, hier: 141. (Digitalisat Keussen: Universitätsbibliothek)

[2] Vgl. Gunter Quarg: „Ganz Köln steckt voller Bücherschätze“. Von der Ratsbibliothek zur Universitäts- und Stadtbibliothek 1602-2002, Köln 2002, 14f.; Tassilo Küpper: 400 Jahre Ratsbibliothek der Stadt Köln. Keimzelle der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, in: [Universitäts- und Stadtbibliothek Köln (Hg.)]: 400 Jahre Kölner Ratsbibliothek, Universitäts- und Stadtbibliothek. Ansprachen beim Festakt im Hansasaal des Historischen Rathauses zu Köln am 28. November 2002, Köln 2002, 15-22, hier: 15.

[3] Vgl. Quarg: Bücherschätze (wie Anm. 2), 61.

[4] Quarg: Bücherschätze (wie Anm. 2), 84.

[5] Vgl. Quarg: Bücherschätze (wie Anm. 2), 84f.

[6] Vgl. Quarg: Bücherschätze (wie Anm. 2), 122.

[7] Quarg: Bücherschätze (wie Anm. 2), 122.

[8] Vgl. Quarg: Bücherschätze (wie Anm. 2), 24.

[9] Quarg: Bücherschätze (wie Anm. 2), 24.

[10] Vgl. Quarg: Bücherschätze (wie Anm. 2), 25.

[11] Vgl. Quarg: Bücherschätze (wie Anm. 2), 14f., 122.

[2] Vgl. Quarg: Bücherschätze (wie Anm. 2), 41.

[13] Quarg: Bücherschätze (wie Anm. 2), 41.

[14] Vgl. Quarg: Bücherschätze (wie Anm. 2), 46, 51, 140, 147, 157; Küpper: Ratsbibliothek (wie Anm. 2), 16.

[15] Quarg: Bücherschätze (wie Anm. 2), 132.

[16] Vgl. Quarg: Bücherschätze (wie Anm. 2), 132.

[17] Vgl. Quarg, Bücherschätze (wie Anm. 2), 166.

[18] Vgl. Quarg: Bücherschätze (wie Anm. 2), 170.

[19] Quarg: Bücherschätze (wie Anm. 2), 178.

[20] Vgl. Quarg: Bücherschätze (wie Anm. 2), 174, 178.

[21] Vgl. Quarg: Bücherschätze (wie Anm. 2), 178.

[22] Tabellarisch dargestellt bei Quarg: Bücherschätze (wie Anm. 2), 178.

[23] Vgl. Quarg: Bücherschätze (wie Anm. 2), 179, 192.

Empfohlene Zitierweise
Dominique Nadine Walraevens, Die Entstehung der Universitäts- und Stadtbibliothek, aus: Gudrun Gersmann, Stefan Grohé (Hg.), Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824) — Eine Spurensuche in Köln (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00001), in: mapublishing, 2017, Seitentitel: Die Entstehung der Universitäts- und Stadtbibliothek (Datum des letzten Besuchs).