Dominique-Vivant Denon wurde am 4. Januar 1747 in Givry in eine Familie, die dem untersten Adelsstand angehörte, hineingeboren. Während seines Jurastudiums merkte er schnell, dass er sich mehr zur Kunst hingezogen fühlte und begann eine Künstlerausbildung bei Noël Hallé (1711-1781). Im Jahr 1769 erhielt er von Madame Pompadour (1721-1764) die Stelle als Konservator für ein Gemmenkabinett und im gleichen Jahr wurde er zum Kammerherrn des Königs ernannt. Darauf folgte 1771 eine Anstellung als Botschaftssekretär und 1787 wurde er Mitglied der ‚Académie des Beaux-Arts‘. Zu seinen Freunden zählten schon seit frühester Zeit Künstler, Schauspieler und Gelehrte, was ihm bei seinen späteren Kunstraubzügen eine große Hilfe sein sollte. Während eines Venedigaufenthalts lernte er zum Beispiel Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) kennen. 1797 wurde Denon von Josephine Beauharnais (1763-1814) Napoleon vorgestellt, der ihn ein Jahr später wegen seiner künstlerischen Bildung nach Ägypten berief. 1802 wurde er schließlich zum ‚Directeur général du Musée central des Arts‘ ernannt. [1]
<2>
Im Oktober 1806 kam Denon in die deutschen Gebiete, um sich um die Konfiszierung der dortigen Kunstwerke persönlich zu kümmern. Dies war bereits der vierte Beutezug der Franzosen auf deutschem Boden. Im Unterschied zu anderen Kommissaren, die vorher in deutschen Territorien gewesen waren, war Denon ein Kunstkenner und konfiszierte nur ausgewählte Werke, anstatt planlos zu beschlagnahmen und nach Paris zu schicken. Er studierte die Sammlungen genau und nahm zum Beispiel aus der Gemäldesammlung des Herzogs Anton Ulrich von Braunschweig (1633-1714), welche aus 1.400 Werken bestand, lediglich 271 Bilder mit nach Paris. [2] Außerdem war Denon trotz seiner Aufgabe bei vielen Deutschen ein willkommener Gast, denn „in ihm verbanden sich elegante Umgangsformen und umfassende Gelehrsamkeit mit einem europaweiten Ruhm […]. Er war eine Persönlichkeit, die man kennenzulernen wünschte.“ [3] Aufgrund der Ägypten-Mission und durch seinen Status als Generaldirektor der französischen Museen war Denon europaweit bekannt. Für die Gelehrten und Künstler in Deutschland war Denons Aufenthalt eine Bereicherung ihrer Salons. Denons Freund, der Naturforscher Alexander von Humboldt (1769-1859), führte ihn in die Gelehrtenkreise der preußischen Hauptstadt Berlin ein. Über diese sagte Denon später „Ich bin an das Wohlwollen dieses illustren Kreises gewöhnt und ich werde die freundschaftliche Aufnahme niemals vergessen, mit der mich jedes seiner Mitglieder während meines Berliner Aufenthaltes erfreut hat.“ [4]
<3>
Wie es schon zuvor während der Aufenthalte der anderen Kommissare geschehen war, leisteten die deutschen Konservatoren Widerstand und schickten so viele Kunstwerke wie möglich in andere Städte oder Länder. So stand Denon oft vor unvollständigen Sammlungen. Nichtsdestotrotz war es der Beutezug, der die deutschen Sammlungen die meisten Kunstwerke gekostet hatte. Innerhalb von acht Monaten waren 250 Kisten mit Gemälden, Statuen und dergleichen von Deutschland nach Paris geschickt worden. [5] Denons Hauptaugenmerk lag auf Gemälden, Antiken und Kuriositäten, da er auf diesem Gebiet die meisten Kompetenzen besaß. Beschlagnahmungen von Büchern waren ihm eher lästig. Außerdem hatten sich seine Vorgänger schon ausreichend damit beschäftigt, sodass Denon seiner obengenannten Neigung nachgehen konnte. Eigentlich glaubte Denon nicht daran, dass Deutschland ihm viel zu bieten hätte, deswegen stellte er sich darauf ein, nur ein paar ausgewählte Werke zu konfiszieren. Er wurde jedoch eines Besseren belehrt: In Sanssouci zum Beispiel forderte Denon zunächst nur zwei Kunstwerke, darunter die ‚Knöchelspielerin‘, doch letztendlich beschlagnahmte er „55 Gemälde, drei Statuen und sechs antike Büsten“. [6] In der Kasseler Gemäldegalerie konfiszierte er unter anderem 299 Gemälde, in Schwerin waren es 209 und in Braunschweig 278 Werke, die ihren Weg nach Paris fanden. [7] Zwei Motive standen für Denon wohl im Vordergrund des Beutezuges: Vollständigkeit der Sammlungen und Bildung der Allgemeinheit. Viele Museumsdirektoren wussten davon: Wenn sie darum kämpften, dass Denon bestimmte Werke nicht mitnehmen sollte, führten sie ihm vor Augen, dass diese keinen Wert mehr besäßen, wenn man sie aus ihrem Zusammenhang entferne, da sie dann in keinem Kontext mehr stünden. [8]
<4>
Während all dieser Beschlagnahmungen versuchte Denon diese als legal erscheinen zu lassen, denn der Kunstraub war durch keinen Friedensvertrag legitimiert. Es wurden Beschlagnahmungsprotokolle geschrieben, die von Denon, dem jeweiligen Museumsdirektor und Militärkommandanten unterschrieben wurden. Wenn der jeweilige Museumsdirektor während Denons Besuch nicht anwesend war, wartete Denon bis zu dessen Rückkehr oder verlegte seinen Besuch auf später. [9] Vor der Unterzeichnung des Friedensvertrages von Posen am 11. Dezember 1806 bat Denon Napoleon einige Kunstwerke mit in den Friedensvertrag aufzunehmen. Dadurch wären diese Werke legal nach Frankreich gelangt und die ursprünglichen Besitzer hätten sie nicht zurückfordern können. Napoleon lehnte seine Bitte jedoch ab, weil der Kurfürst von Sachsen versprach, seine Galerie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. [10]
<5>
Diese Situation war nicht die einzige, in welcher Denon und Napoleon sich nicht einig waren. Kunstraub diente erstmals auch der Trophäensammlung – als prominentes Beispiel ist der Abbau der Quadriga vom Brandenburger Tor zu erwähnen. Denon sprach sich gegen dieses Vorhaben aus, doch es war seine Aufgabe für Demontage und Verpackung zu sorgen. Zu dieser Aktion schrieb er an Napoleon: „Nun liege ich vollends mit den Bewohnern von Berlin im Streit. Aber die Frauen, die, was den Takt betrifft zu bewundern sind, haben alle gesagt ‚Dieses Siegesbild hätte ich auch mitgenommen.‘ Die Trophäe ist umso glänzender, als sie keinen wirklichen Wert besitzt.“ [11] Ein anderes Mal beschlagnahmte Napoleon einen Säbel und ein paar Reliquien Friedrichs des Großen (1712-1786). Napoleon war begeistert, während Denon für derartige Konfiszierungen, die nur Propagandazwecken dienten, wenig Verständnis hatte. [12]
<6>
Wofür Denon sich im Gegensatz zu der Trophäensammlung interessierte, waren die bis dahin in Vergessenheit geratenen altdeutschen Meister. Er soll darüber gesagt haben: „Es gibt eine so reine Originalität, eine so berührende Naivität, einen so wahren Ausdruck, eine so reiche Einfalt und so tief gefühlte Frömmigkeit in diesen Arbeiten, dass ich sie der Mehrheit unserer großen Meister unendlich vorziehe, die einer vom anderen nachahmen und übernehmen.“ [13] Die deutschen Konservatoren waren von seiner Vorliebe verblüfft, denn bis dahin hatten die meisten anderen Kommissare diese Werke nie betrachtet. Der Bildhauer Schadow sagte „[…] sollte er dergleichen irgendwo wittern, so wird er solche aus Achtung in Verwahrsam nehmen.“ [14] Die Begeisterung Denons in Bezug auf diese Werke kam Deutschland sehr zugute. Nach Denons Rückkehr nach Paris fand einige Monate später die Ausstellung der deutschen Werke statt. Dort wurden unter anderem auch die altdeutschen Meister ausgestellt und gelangten so durch Denon zu neuer Popularität. Ohne ihn wären sie vielleicht für immer in Vergessenheit geraten. [15]
Anmerkungen
[1] Zu Denons Biographie siehe Lee Sorensen: "Denon, Dominique-Vivant", in: Dictionary of Art Historians, URL: https://arthistorians.info/denonv (13.3.2017); Charles-Otto Zieseniss: "Denon, Dominique-Vivant, baron (1747-1825), directeur du louvre", in: Revue du Souvenir Napoléonien 357, 2 (1988), online veröffentlicht in: napoleon.org, URL: https://www.napoleon.org/histoire-des-2-empires/biographies/denon-dominique-vivant-baron-1747-1825-directeur-du-louvre/ (13.3.2017).
[2] Paul Wescher: Kunstraub unter Napoleon, Berlin 1976, 106.
[3] Zitiert nach Bénédicte Savoy: Kunstraub. Napoleons Konfiszierungen in Deutschland und die europäischen Folgen, Wien / Köln / Weimar 2011, 120.
[4] Zitiert nach Savoy: Kunstraub (wie Anm. 2), 145.
[5] Savoy: Kunstraub (wie Anm. 2), 119.
[6] Savoy: Kunstraub (wie Anm. 2), 137.
[7] Savoy: Kunstraub (wie Anm. 2), 137.
[8] Savoy: Kunstraub (wie Anm. 2), 140.
[9] Savoy: Kunstraub (wie Anm. 2), 131.
[10] Savoy: Kunstraub (wie Anm. 2), 142.
[11] Zitiert nach Savoy: Kunstraub (wie Anm. 2), 138.
[12] Savoy: Kunstraub (wie Anm. 2), 138.
[13] Zitiert nach Savoy: Kunstraub (wie Anm. 2), 145.
[14] Zitiert nach Savoy: Kunstraub (wie Anm. 2), 144.
[15] Zur Ausstellung siehe Savoy: Kunstraub (wie Anm. 2), 345-349.