Eberhard von Groote an Joseph von Groote, Paris, 10. November 1815.
Seitenweise transkribiert von: Kilian Klinkenberg, Lennart Friederichs, Corinna Monschang, Pia Zacher
Paris den 10. Novembris 1815 Abends.
In der Betrübniß, in welche euch mein letzter Brief, sammt der Einlage an Wallraf, nothwendig versetzt haben muß, will ich Euch nun nicht länger lassen.
Zwar seyd Ihr, ich meine nehmlich Wallraf, und die sonst die Pflicht hatten, in der Sache etwas zu thun, nicht ohne Schuld, denn gerade zu gesagt, bloß durch die Nachläßigkeit und Leichtsinnigkeit, mit welcher man das, was für die Universitaet in Cöln gesagt werden müßte, zurückhielt und verhob, war auf ein Haar die ganze Sache verdorben und für immer verloren. Ich theile dir aber hier den fernern Hergang mit, den die Sache durch Gottes Hülfe und meine geringe Mitwirkung, zu unserm großen Glücke genommen. Ich sagte dir neulich, wie ich am Tische des Generals mit Lebhaftigkeit für die Universität zu Cöln gesprochen, und wie mich Seine Exzellenz zum schriftlichen Bericht darüber aufgefordert. Ueber diesem habe ich mit großem Fleiße und nicht ohne stilles Gebet zu Gott ganze 24 Stunden gesessen, und da hatte ich einen Aufsatz von etwa 3 Bogen im Reinen.
Den übergab ich dem General am 7. morgens, und schon um Mittag, da ich ihn sah, hatte er denselben ganz durchgelesen, lobte mich sehr darüber, und sagte mir, wie er denselben dem Fürsten Staatskanzler vorlegen würde, und schon im voraus überzeugt sey, daß er den besten Erfolg haben würde.
Das ist nun geschehen, und zweymal hat der General ihn mit dem alten Fürsten durchlesen müßen, weil beyden meine Darstellung und Gründlichkeit gar wohl gefallen.
Da weiß aber nun Gott, was der herrliche General, der, wie ich fest weiß, mich innig lieb hat, noch zu meinen Gunsten mag vorgebracht haben; genug der Fürst machte ihm zur Pflicht, mich ehestens zum Essen zu ihm zu bringen. Das ist nun heute geschehen, und ich kann nicht genug sagen, mit welcher zuvorkommenden Freundlichkeit, der Fürst mich empfing. „Ich habe viel gutes von Ihnen gehört, junger Mann“, sagte Er, „und ihr Aufsatz hat mich nicht nur sehr gefreut, sondern ich habe mich durch seine tiefe Gründlichkeit ganz überzeugt, daß ihre Ansicht die rechte ist, und daß die Universität kommen muß, wohin sie es wünschen.“ Dieß machte im Saale wo übrigens mehrere, für Bonn gewonnene Gäste waren, nicht wenig Aufsehen, und alles drängte sich nachher zu mir heran, um zu wissen, welche Ansicht ich über diesen Gegenstand aufgestellt. Ich aber war klug genug, davon niemanden etwas wissen zu lassen, benutzte aber dafür desto besser die wiederholten freundlichen #Aeusserungen des Fürsten, der die Geduld hatte mir mehrmals ganz still und vertraulich zuzuhören wenn ich mit reger gehaltener Lebhaftigkeit über die Angelegenheiten unseres Vaterlandes zu ihm sprach. Recht theilnehmend fragte er endlich, ob ich denn für mich nichts zu wünschen habe, und wo ich für die nächste Zukunft zu leben wünschte. Da habe ich ihm dann gesagt, daß ich für's erste gerne auf die Organisation unseres Landes zunächst mitzuwirken wünschte, und nachher mich wohl dem Schulwesen gerne wieder widmen möchte. Der Fürst versicherte mir, indem er mir die Hand reichte, daß ich mich immer nur vertraulich an ihn wenden dürfe, für‘s erste aber solle ich nach Berlin kommen und ihn dort besuchen. Der General aber redete ein, daß dazu die beste Gelegenheit eben wäre, wo zu dem Verfassungsentwurfe aus allen Provinzen und großen Städten Abgeordnete nach Berlin geschickt werden müßten. Und da machten es mir angelegentlichst die beyden Herrn zur Pflicht, ich solle in ihren Namen dem kölnischen Stadtrathe mittheilen, daß Sie mich zu diesem Zwecke in Berlin zu sehen wünschten, und das der Stadtrath sich überzeugt halten solle, daß ich von den beyden Männern mit allem Rath und That unterstützt werden solle. Besonders hat mir dieß der General nachher noch aufgetragen, den du nur kennen müßtest, um zu sehen, daß er nie ein vergebliches Wort in den Wind reden kann. Ueberhaupt aber wünschte ich, daß dieser Hergang von niemand als ein leichtes vorübergehendes und folgeloses Complimenten-Wesen angesehen werde, sondern das was ich bewirkte, und das wozu ich das ernste Versprechen erhielt, zeugen genug vom Gegentheil.
Daher habe ich denn auch beykommendes Schreiben mit gutem Vorbedacht an unsren Bürgermeister und Stadtrath abgefaßt, und bitte dich es ihnen förmlich zu überreichen und die Berathung desselben amtlich zu verlangen. Es ist dieß nehmlich nicht meine Privatsache, sondern so war der Herr lebt, eine Aufforderung der genannten Herren, der ich Genüge zu leisten mich für verpflichtet halte. Nicht meine genauesten Kenntniße in unsren Landesangelegenheiten ist es, was hier entscheidet, das ist auch nicht nöthig, da die Instruktionen aller kundigen und wohlmeinenden das etwa fehlende ersetzen können. Aber mein herzlichster, bester Wille, und endlich die Gewißheit bey denjenigen Männern welche alles vermögen, etwas ausrichten zu können, dieß ist es, was mich selbst verpflichtet, auch in dieser Hinsicht dem Vaterland meine Dienste anzubiethen. Du lieber Alter, wirst dazu gewiß gerne die Hand biethen, und dies mit mir so wie des Bisherigen, auch des künftig zu hoffenden besten Erfolges meiner Bestrebungen erfreuen.
Soweit für dießmal diese Sache. Ich darf dir das Verbot an mich ferner zu schreiben, nicht wieder erlassen, wenn ich es gleich wohl etwas zu frühe ertheilte. Auch nun noch weiß ich nicht wie lange es noch werden kann; aber doch allem Anschein nach nicht lange mehr. – Noch 16 Säulen von Aachen haben uns seither die Franzosen herausgegeben. Vielleicht erhalten wir die 10 übrigen, welche leider im ci-devant museum eingemauert sind, auch noch. Einige der Bilder aus den französischen Städten, namentlich gestern eines aus Aachen angeblich von Rubens (Heilige Familie) kommen nach und nach an. Die Entschädigungsforderungen werden noch auf langsamen diplomatischem Wege diskutiert. Die Verhöre des Marschall Ney haben seit gestern angefangen; Viele glauben er werde frey gesprochen werden.
Treibe um Gottes lieben Willen noch an der Schrift Wallrafs über die Universität! Sie kann noch immer von größter Wichtigkeit seyn. Nach dem Taschenbuch sehne ich mich kindisch.
Der Staatskanzler und Gneisenau müssen durchaus, und zwar recht schöne Exemplare haben; nicht wahr, Brüderchen!
Grüße mir alle freundlich. Ich habe nicht viel Zeit, und schließe deswegen. Ich sehne mich recht nach deinen Briefen, und der Vogts-Geschäfte.
Gott befohlen.
Ebbo.
Archiv Haus Londorf, Herr von Groote, Familienbriefe, 1.1, Nr. 39.