Eberhard von Groote an Joseph von Groote, Paris, 6. November 1815.

Seitenweise transkribiert von: Maria Fleckstein, Jürgen Woznitza, Elisabeth Schläwe, Valentin Blass

Paris den 6. Novembris abends

auf Groebens Zimmer bey General Gneisenau

Hier sitze ich nun, müde gedacht und geschrieben, ganz allein, und kann mir doch nicht versagen, noch an dich zu schreiben, weil was ich betrieben, doch auch dich zunächst mit angeht. Denke dir nehmlich, daß bey allem, was sonst unannehmliches für unser armes Cöln entschieden werden mag, es nun fast sicher ist, daß die Universität nicht zu uns, sondern nach Bonn kommen wird. Meinen Schreck, als mir der General Gneisenau dieß mit dem Zusatz entdeckte, daß er für Cöln so lange gesprochen, als es immer habe gehen wollen, daß er endlich aber sey überstimmt worden, da niemand sich ausser ihm, Cölns habe annehmen wollen, diesen Schreck kannst du dir denken.
Allein obgleich ausser dem General noch verschiedene vornehme und wichtige Leute zu Tische waren, so konnte ich in meiner Wuth doch gar nicht halten, sondern verwundet dort, wo ich gerade am empfindlichsten bin, platzte ich heraus, und in einem Strome führte ich alles das hintereinander an, was Bonn einer Universität unwürdig macht, und was sich im Gegentheile für Köln sagen läßt. Gott weiß, wie ich das alles in der Eile zusammengestellt, allein mein Reden muß doch einigen Eindruck gemacht haben. Denn als ich schwieg, sah der General mich bedeutend an, und verlangte, ich solle ihm baldigst ein Memoir über diese Sache zurecht schreiben, und dann wolle er sie von Neuem in den Conferenzen aufnehmen, und sehen was zu thun möglich sey.
Das war mir nun wie ein Befehl vom Himmel, und eine Nacht und einen Tag habe ich über dieser Arbeit hingebracht, die ich nun noch diesen Abend dem General überreichen will. Aber gestehe mir nur selbst, ist unsre Schläfrigkeit und Nachläßigkeit in unsern Sachen nicht ganz unverzeihlich. Hätte alles das und noch viel mehreres als ich in der Eile nun zusammengestellt, nicht längst in den Händen der Minister seyn und vielleicht schon zu unserm Vortheil entschieden seyn können, wenn Wallraf, den ich durch dich und in Briefen an ihn sowohl, als auch mündlich so freundlich erinnert habe, seine Schrift zu Ende gebracht und mir hierhingeschickt hätte.
Aber da ist keiner, der sich soviel über andere aufhält, über Klünggel und Schnütcheswesen, und wie seine Lieblingsausdrücke sonst sind, schimpft als gerade er, und dennoch keiner der weniger zu Stande bringt, was er doch sollte, weil er es kann, als gerade er.
Da haben unsre Gegner sich andres gewagt, und haben wohl ihre Sachwalter hier gehabt, die ihr Intresse [!] auf‘s Beste wahr genommen. Aber das nicht allein, sondern unsre eigenen Mitbürger, und nahmentlich die 3. Gräflichen Familien, haben gegen uns gearbeitet, und denken durch die Universität ihr liebes Bonn, wohin sie sich zusammenziehen wollen, nur noch angenehmer zu machen. Da ist die ganze liebe Verwandtschaft, Sack und Consortes, alles mit in das Spiel gezogen worden, und so hat sich die Sache bis zu dem Finanzminister gespielt, der nun auch auf der Rückreise in Bonn festirt worden soll, bey welcher Gelegenheit ihm dann zugleich die herrliche Lage Bonns zu einer Universität wird begreiflich gemacht und die gänzliche Unschädlichkeit der Eifeler Bleywerke wird dargethan werden! – Wie mir bey diesen Nachrichten zu Muthe ist, denkst du leicht, und mit der Hoffnung zur Universität verschwindet mir zugleich so ziemlich die, daß ich für’s Erste in der alten Veste meinen Aufenthalt werde haben können. Was soll uns die elende Vestung, oder ein kleinlicher Regierungssitz, dem übrigens nicht einmal, wie wir früher glaubten, einer der preußischen Prinzen vorstehen wird. Es wird ein langweiliches Leben bey uns, während alle unsre benachbarten Städte sich vielleicht der angenehmsten Aussichten zu erfreuen haben.
Verzeih mir, daß ich dich mit diesen unangenehmen Sachen unterhalte, die mir deswegen nur doppelt wehe thun, weil ich nicht umhin kann, sie unserer eigen Schwäche und Erbärmlichkeit zuzuschreiben. –
In beykommendem Briefe habe ich Wallraf von der Lage der Dinge Auskunft gegeben, damit er einsehe, wohin sein unstetes, fragmentarisches Thun und Treiben führet.
Deine letzten Briefe nebst denen von Rector und v. d. Hagen habe ich am Abend erhalten, als ich morgens meinen Brief an dich weggeschickt hatte, in dem ich dich bat, mir nun nicht mehr hierhin zu schreiben. Ich sehe mich gezwungen, diese Bitte zu wiederholen, wenngleich die Dauer unseres Hierseyns immer noch nicht bestimmt ist. Es würde mir gar zu unangenehm seyn, wenn deine Briefe verloren würden, und zu den Franzosen habe ich nicht das Vertrauen, daß sie dieselben ehrlich ohne Porto zu erhalten, wieder zurückschicken sollten.
Auch das Maaß deines Ringes habe ich erhalten, und anbey kommt nun schon ein Abdruck des Siegels, mit dem du hoffentlich zufrieden seyn wirst. Ich habe es noch nicht fassen lassen, theils weil ich das Maaß nicht hatte, theils weil ich lieber den Stein ungefaßt wollte schneiden, und zwar von dem Graveur selbst wollte wählen lassen, damit er wenn ich einen fertigen Ring gekauft hätte, mir nicht hätte vorwerfen können, der Stein sey schlecht gewesen, und deswegen die Arbeit nicht gut geworden. Dieser Stein ist sehr schön, und ich werde ihn jetzt unverzüglich à jour fassen lassen. Nun wirst du wohl glauben, daß du einen Siegel-Ring erhalten, und tragen wirst.
Ich bin viel zu müde, als daß ich dir sonst noch etwas schreiben könnte. Ist es möglich, Wallraf's Schrift noch hierhin zu schaffen, so thue es doch; vielleicht kann sie noch etwas helfen, wenn vielleicht die Sache noch nicht gleich zur letzten Entscheidung kommt. Noch kann ich dir aus den sichersten Quellen sagen, daß an Boisserée von hier aus offiziell geschrieben werden soll, um ihn anzufragen, was er für seine Sammlung haben wolle, die in Berlin aufgestellt werden soll. Auch eine allerliebste Nachricht, nicht wahr! Näheres weiß ich davon nichts, aber unwahrscheinlich ist es, daß man ihm einen solchen Antrag thun sollte, wenn man nicht wüßte, daß er sich dazu verstehen wolle.
Bey dem ungeheuren Hass den sie bey meiner Anwesenheit in Heidelberg gegen Preußen äußerten, soll mich recht wundern, was sie thun werden.
Mit den 40,000 kaiserlichen Gulden wovon du mir neulich schriebst, wird es auch wohl so arg nicht seyn. Kannst du mir nicht etwas näheres sagen, warum Arndt neuerdings einen solchen Hass gegen Köln trägt. Auch er hat sich gegen die Universität zu Köln erklärt.

Laß von dem was ich dir hier schrieb nicht viel laut werden. Ich freue mich auf deine Vogtgeschichten, und auf daß weitere wegen des Büchleins.

Dein Ebbo.

Ueber anderes aus ## nächstens. Grüß alle Lieben.

Archiv Haus Londorf, Herr von Groote, Familienbriefe, 1.1, Nr. 38.